Todesengel: Roman (German Edition)
Polizei zum Thema Racheengel?«
»Klar.«
»Kann ich daraus heute Abend einen Abschnitt zeigen?«
Ingo sagte ihm, welchen. Rado lachte. Als Ingo ihm sagte, welche Videos er außerdem zeigen wollte, lachte er nicht mehr. Ingo ließ nicht locker, malte ihm sein Dilemma in den schwärzesten Farben aus.
»Na gut«, gab Rado schließlich nach. »Auch wenn ich es wahrscheinlich bereuen werde.«
Das Gespräch mit Rado und das neue Handy, das noch ganz ungewohnt in der Hand lag, brachten Ingo auf eine Idee. Eine pfiffige Idee, wie er fand. Evelyn seine neue Handynummer zu geben war doch ein glaubhafter Vorwand, sie anzurufen, oder?
»Das muss Gedankenübertragung sein«, meinte sie. »Ich wollte Sie nämlich auch schon anrufen.«
»Wirklich?«
»Na, wegen Kevins Übungstraining gestern. Aber dann habe ich gedacht, Sie haben bestimmt gar keine Zeit, weil Sie Ihre Sendung heute Abend vorbereiten müssen.«
»Halb so wild«, meinte Ingo. Ach ja, richtig. Kevin und das Krav-Maga-Training. Er räusperte sich. »Sie hätten mich nicht erreicht. Ich bin gerade nicht zu Hause, und ich habe ein neues Telefon.«
»Ach, stimmt. Das haben Sie ja gestern in der Sendung gesagt. Dass die Polizei Ihr Handy beschlagnahmt hat. Starkes Stück, finde ich.«
Sie klang gar nicht so, als wolle sie ihm Vorwürfe machen. Ingo entspannte sich etwas. »Ach, die haben halt ihre Anweisungen.« Vielleicht nicht schlecht, cool zu klingen.
»Ich wollte mich eigentlich schon gestern melden und bedanken, dass Sie sich so nett um Kevin gekümmert haben«, sagte sie. »Aber wir hatten am Nachmittag die Gewerbeaufsicht im Lager. Unangekündigte Kontrolle. In so einem Fall muss ich alles stehen und liegen lassen und dabei sein …«
»Verstehe. Und? Haben die was gefunden?«
Sie lachte. »Ach was. Mein Chef ist Sauberkeitsfanatiker, was Lebensmittel anbelangt. In unserem Lager könnte man zur Not auf dem blanken Fußboden eine Herztransplantation durchführen. Aber ich muss halt da sein, für den Papierkram.«
Ingo dachte an die Polizisten und wie sie seine Wohnung auf den Kopf gestellt hatten. Seltsame Duplizität der Ereignisse.
»Ja, aber was ich Ihnen unbedingt erzählen muss«, fuhr sie aufgeregt fort, »ist, dass Kevin völlig begeistert ist von diesem Krav Maga.«
»Tatsächlich?« Das hatte er jetzt nicht erwartet.
»Ja! Gestern Abend hat er kein anderes Thema mehr gehabt. Heute beim Mittagessen hat er erzählt, dass er das, was er in der Einführung gelernt hat, heute schon hat brauchen können. Also nicht, dass er sich mit jemandem gerauft hat. Aber er meint, einfach nur diese andere Haltung, dieses andere Auftreten, damit hätte er einen Mitschüler gestoppt, der ihn sonst immer piesackt. Es hat irgendwas mit Atemübungen zu tun. Ich hab’s nicht genau verstanden. Auf jeden Fall ist er heute gleich wieder hin; das Anfängertraining für Jungen ist Freitagnachmittag.«
Ingo war überrascht über das Ausmaß an Erleichterung, das er plötzlich verspürte. »Dann hat es ihm also gefallen?«
»Gefallen? Gefallen ist gar kein Ausdruck. Er ist wild entschlossen weiterzumachen. Er hat gesagt, er würde notfalls in den Ferien jobben, um das Geld dafür zu verdienen.« Sie hüstelte, sprach rasch weiter, wie um das Gespräch schnell von diesem Thema wegzubringen. »Jedenfalls wollte ich … wenn es Ihnen nicht zu viel ist, schon wieder … also, falls Sie am Wochenende Zeit haben –«
»Klar«, sagte Ingo sofort. »Wozu auch immer.«
»Ich dachte, wir könnten vielleicht ins Kino –«
»Ja. Super. Haben Sie einen bestimmten Film im Auge?«
»Nein, das war nur so ein Gedanke.«
»Okay. Ich denk mir was aus. Ich –« Eine Idee durchzuckte ihn. Eine geradezu bestechende Idee. Er sah auf die Uhr. Fast drei. Das würde verdammt knapp werden. »Mir fällt gerade etwas ein. Etwas ganz anderes«, sagte er, nach Worten suchend, um es nicht zu verderben. »Das heißt, falls es Ihnen nicht zu viel ist, mir schon wieder einen Gefallen zu tun.«
Überraschtes Einatmen. »Kommt darauf an. Auf jeden Fall haben Sie was gut bei mir, wollte ich mit all dem sagen.«
»Es wäre eine ziemliche Hals-über-Kopf-Geschichte«, bekannte Ingo und fragte behutsam: »Meinen Sie, Sie könnten bei Ihrem Schwiegervater noch einmal ein gutes Wort für mich einlegen?«
21
Ingo war mit gehörigem Bauchflattern hinunter ins Studio gegangen, doch in der mittlerweile vertrauten Routine der Vorbereitungen und des Schminkens verblassten seine Befürchtungen
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