Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
war es beinahe Furcht einflößend, wie verändert er wirkte. »He, Alter«, schnaubte er in Ingos Richtung. »Was geht ab?« Der finstere Blick wanderte zu seiner Mutter. »Und du? Willst du jetzt noch weiter rumstressen oder was?«
    Evelyn war sichtlich geschockt. »Kevin!«
    Mit einem Schulterzucken schüttelte Kevin die Pose des Aggressors von sich ab und war übergangslos wieder der harmlose Junge, den Ingo kannte. »Also, so sieht das aus«, meinte er beiläufig und setzte sich, um weiterzufrühstücken, als sei nichts gewesen.
    Evelyn holte tief Luft, wechselte einen besorgten Blick mit Ingo und sagte: »Na, ich weiß nicht …«
    Kevins Kopf ruckte hoch, aus seinen Augen blitzte feste Entschlossenheit. »Ich lass mir nichts mehr gefallen«, erklärte er kategorisch. »Wenn du das Geld nicht hast für den Kurs, dann verkauf ich meine Stereoanlage oder such mir einen Ferienjob.«
    »Nein, nein, schon gut. Dein Opa hat gesagt, er zahlt dir den Kurs.«
    »Cool«, meinte Kevin und sah auf die Uhr. »Oh, ich muss los.« Er sprang auf, stürmte aus der Küche, kam gleich darauf mit einem Rucksack zurück, gab seiner Mutter einen flüchtigen Abschiedskuss und düste davon, eine zuknallende Tür und rasch leiser werdendes Getrappel zurücklassend.
    »Ein bisschen unheimlich ist mir das schon«, gestand Evelyn.
    »Aber es scheint ihm gutzutun«, meinte Ingo.
    Evelyn beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. »Zu schade, dass ich zur Arbeit muss«, sagte sie, »sonst wüsste ich jetzt was, das uns guttäte.«
    Ingo spürte eine deutliche körperliche Reaktion auf ihre Worte. »Zur Arbeit? Am Samstag? Bei was für einem Sklaventreiber bist du denn?«
    »Warenannahme. Samstagmittag kommt immer der Kühlwagen mit dem frischen Fisch aus Athen. Fürs Wochenende, verstehst du?« Sie fasste ihn spielerisch an der Nase. »Du kommst einfach heute Abend wieder.«
    Schade, aber wohl nicht zu ändern. Wobei, fiel Ingo ein, er ja auch keine Zeit hatte, wenn er den Anzug in die Reinigung bringen wollte. Die bei ihm um die Ecke hatte nur bis zwölf Uhr fünfzehn auf. Und vorher musste er nach Hause, sich umziehen.
    »Da ich jetzt offiziell Asyl bei euch genieße«, meinte er, »mach ich das auf jeden Fall.«
    »Du könntest die eine oder andere Flasche Rotwein mitbringen«, schlug Evelyn vor und begann, die Sachen wegzuräumen.
    Es war kurz vor elf, als Ingo zu Hause ankam. Die Haustüre stand weit offen. Eine kittelbeschürzte Nachbarin, die im zweiten Stock rechts wohnte, eine Frau Geier, wartete darin und sagte zu jemandem im Flur: »Da kommt er.«
    Es sah aus, als meinte sie ihn. »Was ist denn los?«, fragte Ingo irritiert.
    »Schauen Sie halt«, erwiderte sie.
    Im Hausflur traf er den alten Herrn Müller an, der die Wohnung im Erdgeschoss hatte, seit über fünfzig Jahren, wie er einem nur allzu gern erzählte. Die schlohweißen, buschigen Augenbrauen ärgerlich gefurcht, wies er auf die Briefkästen, die nebeneinander gute zwei Meter Wand einnahmen. »Da«, knurrte er. »Sauerei, das.«
    Ingo nahm einen widerwärtigen Geruch wahr, der mit jedem Schritt intensiver wurde. In seinen Eingeweiden verkrampfte sich etwas. Sein Briefkasten war der vorletzte in der Reihe der grauen Zinnrechtecke, ganz hinten, da, wo das Licht von draußen kaum noch hinreichte. Irgendetwas Dunkles, Zähes quoll an dessen unterem Rand hervor und floss in dicken Linien über die Wand bis auf den Fußboden hinab.
    »Blut, würd ich sagen«, meinte Herr Müller.

23
Der Polizist beleuchtete das Innere des Briefkastens mit seiner Stablampe aus allen Richtungen, ehe er das Offensichtliche sagte: »Ein Schweineherz offenbar. Es muss noch eine Menge Blut darin gewesen sein.«
    Ingo war schlecht. »Und wie ist das da reingekommen?«
    Der Uniformierte berührte die Briefkastentür vorsichtig an der oberen Ecke, bewegte sie ein wenig, leuchtete sie an. »Na, das ist ja kein Sicherheitsschloss. Wenn sich einer auskennt, macht er das mit ’ner Büroklammer auf.«
    »Na toll.« Zum Glück war keine Post im Kasten gewesen. Oder wenn, hatte derjenige, der das blutige Herz hineingelegt hatte, sie mitgenommen. »Und was werden Sie jetzt machen?«
    »Erst mal ein Protokoll«, sagte der Polizist, der lange, antiquiert aussehende Koteletten trug und für sein Alter – er mochte um die dreißig sein, kaum älter als Ingo – erstaunlich behäbig wirkte.
    Seine Kollegin, eine mürrische Blondine, kam mit einer altmodischen Digitalkamera an und machte ein paar

Weitere Kostenlose Bücher