Todesengel: Roman (German Edition)
telefonierte.
Ambick sah sich um. Der Truppenübungsplatz war über siebzig Quadratkilometer groß. Hinter der Zufahrt lag ein großzügig asphaltierter Platz, auf zwei Seiten von Gebäuden gesäumt, Kasernen wohl. Jenseits davon begann graubraunes, leicht hügeliges Gelände. Drei mit Schutzplanen abgedeckte Panzer standen bereit, als warteten sie darauf, dass man mit ihnen dort hinausfuhr.
»Es kommt gleich jemand«, beschied sie der Wachsoldat.
Es dauerte zehn Minuten, bis ein Jeep angefahren kam. Der Schlagbaum ging summend hoch. Der Wagen hielt, ein Soldat stieg aus, bat Ambick und Enno, einzusteigen. Er fuhr sie etwa hundert Meter weiter zu einem der großen, grauen Gebäude, wo er sie in einen großen, grauen Raum führte, einen Schulungsraum, dem Mobiliar nach zu urteilen. Sie möchten bitte hier warten, sagte er, dann ließ er sie alleine.
Wenig später kam ein Mann in graubraunem Flecktarn herein, mit stahlfederhaftem Schritt und skeptischer Miene. »Guten Tag. Ich bin Oberstleutnant Schermann, der Vorgesetzte von Feldwebel Blier. Man hat mir gesagt, Sie wollten ihn sprechen?«
»Das ist richtig«, sagte Ambick.
»Darf ich erfahren, in welcher Angelegenheit?«
»Wir müssen ihm im Rahmen einer kriminalpolizeilichen Ermittlung ein paar Fragen stellen.«
»Was wird ihm vorgeworfen?«
»Nichts. Wir folgen nur einem Hinweis.« Ambick merkte, dass ihn dieses Frage-Antwort-Spiel zu ärgern begann. »Entschuldigen Sie, ich bin etwas verwundert, wie das hier läuft. Ich gehe manchmal in Strafanstalten, um jemanden zu befragen, aber nicht einmal dort werden die Leute so abgeschirmt, wie Sie es mit Herrn Blier tun.«
Der Oberstleutnant hielt inne. »Es tut mir leid, wenn das so gewirkt haben sollte«, sagte er dann. »Es ist so, dass Feldwebel Blier im Moment in hohem Grade unabkömmlich ist.«
»Was heißt das?«
»Er befindet sich in einer Einsatzvorbereitenden Ausbildung.«
»Mit anderen Worten, er ist nicht hier?«
»Doch, natürlich.« Der Mann straffte sich, fiel in einen belehrenden Ton. »Eine Einsatzvorbereitende Ausbildung findet vor jedem Auslandseinsatz eines Verbandes statt. Sie dauert in der Regel vier Wochen und dient, wie der Name sagt, der Vorbereitung der Soldaten auf die am Einsatzort zu erwartenden Herausforderungen.«
»Aha. Und wohin soll es gehen?«
Das Gesicht des Uniformierten wurde ausdruckslos. »Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben. Das unterliegt der Geheimhaltung.«
»Verstehe.« Ambick zückte sein Notizbuch. »Wenn das heißt, dass Herr Blier demnächst ins Ausland entschwindet, ist es umso dringender, dass ich ihn spreche. Mich interessieren außerdem weder Einsatzort noch sonstige Geheimnisse, sondern nur ganz einfache Dinge wie zum Beispiel, wo Herr Blier in der Nacht vom Sonntag letzter Woche auf den Montag war.«
»Das kann ich Ihnen auch sagen«, erwiderte der Oberstleutnant. »Er war hier.«
»Und die darauffolgende Nacht?«
»Ebenfalls. Während der Einsatzvorbereitenden Ausbildung herrscht Ausgangssperre.«
Ambick wechselte einen Blick mit Enno. »Ausgangssperre? Auch nachts?«
»Insbesondere nachts. Sie müssen sich das so vorstellen, dass die Soldaten in dieser Zeit in einem Feldlager leben, das so weit wie möglich dem nachempfunden ist, das sie am Einsatzort erwartet. Da dort mit nächtlichen Angriffen zu rechnen ist, werden natürlich auch hier von Zeit zu Zeit entsprechende Nachtübungen angesetzt – ohne Vorankündigung, versteht sich.«
»Und hatten Sie in den Nächten von Sonntag auf Montag beziehungsweise in der darauffolgenden Nacht solche Übungen?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen. Aber die Ausgangssperre gilt durchgehend.«
»Verstehe.« Ambick sah auf sein Notizbuch hinab, zückte den Stift und strich den Namen Ulrich Blier durch. Ausgangssperre kritzelte er dahinter. »Gut. Vielen Dank. Damit haben sich alle weiteren Fragen erst mal erledigt.«
War das nun gut oder schlecht? Er hätte etwas darum gegeben, das zu wissen.
Der Besuch des Kommissars ließ Victoria zutiefst aufgewühlt zurück. Peter war in der Stadt! Er war zurückgekommen … und hatte sich nicht bei ihr gemeldet!
Es zerriss ihr das Herz, das zu denken.
Mitten auf der Treppe nach oben konnte sie nicht mehr weiter. Sie blieb stehen, setzte sich einfach auf eine der Stufen und gab es auf, ihre Tränen zurückhalten zu wollen.
Als der Strom versiegte, der schlimmste Schmerz herausgespült war, begann sie nachzudenken. Er folge einem Hinweis, hatte der Kommissar
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