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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ihr hier?« und die drei damit vertrieben. So ein paar Sätze hatten genügt. So feige waren die drei gewesen. Und dann hatte Herr Holi sie gefragt, wohin sie müssten, und sie hatten es ihm gesagt, in die Schule, und er hatte gemeint, »Na, das trifft sich ja gut, in die Gegend muss ich auch, da geh ich mal lieber mit euch, was?«
    Und dann …
    Und dann …
    Dann war es passiert.
    Am Dienstagnachmittag wurde es unumgänglich, sich wieder einmal in seine eigene Wohnung zu wagen. Seine saubere Unterwäsche ging zur Neige, und er wollte Evelyn nicht auch noch bitten, für ihn zu waschen.
    Und tagsüber … da würde ja nichts passieren, oder? Es würde nicht jemand seit Samstag auf ihn lauern.
    Sicherheitshalber wartete Ingo erst eine Weile in dem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in dem er noch nie gewesen war und in dem der Espresso wie ein Mordanschlag schmeckte. Nichts Verdächtiges zu sehen.
    Als die Zeit allmählich knapp wurde, zahlte er und ging zum Zebrastreifen, um die Straße zu überqueren und es anzugehen. Die Haustür erreichte er unbehelligt. Der Briefkasten war leer und sauber. Er erklomm die stillen Treppen, ohne dass ihm jemand begegnete. Die Tür zu seiner Wohnung war unversehrt, die Wohnung selber auch, abgesehen davon, dass sie kalt und verlassen wirkte. Auf unheimliche Weise schien es, als lebe hier bereits seit Ewigkeiten niemand mehr.
    In der Küche hatte sich die Weltkarte von der Wand gelöst und war auf den Kühlschrank hinabgesegelt, lag da mit ihren roten Punkten und dem schwarzen Kreuz.
    Ausgerechnet. Ingo zögerte, sie anzufassen, stopfte sie schließlich in eine der Schubladen. Das Ding hatte da sowieso schon viel zu lange gehangen.
    Der Anrufbeantworter verzeichnete fünf Anrufe und drei Nachrichten. Bei zweien davon hörte man nur, wie jemand murrend auflegte, bei der dritten, wie sich derjenige aufraffte, eine Mitteilung zu hinterlassen: »Ja, also, hier ist die Hausverwaltung. Wir haben Beschwerden gekriegt wegen … also wegen Blut in Ihrem Briefkasten. Keine Ahnung, was das heißen soll, aber vielleicht, wenn Sie mal anrufen könnten, ja? Danke.« Es fiel ihm praktischerweise noch ein, die Telefonnummer anzugeben.
    Ingo rief ihn zurück, erklärte, was vorgefallen war, und ja, die Polizei sei verständigt, und geputzt habe er den Briefkasten auch wieder, man sehe nichts mehr. Nichts für ungut, meinte der Mann am anderen Ende der Leitung, es sei nur, dass sie eben Bescheid wissen müssten, was so vor sich gehe.
    »Ja«, sagte Ingo. »Das wüsste ich allerdings selber gern.«
    Nach dem Gespräch wurde ihm bewusst, dass er gehofft hatte, einen Anruf von diesen Fernsehleuten oder vom Südwestrundfunk vorzufinden. Zwei Anrufe ohne Nachricht. Das konnten zwei weitere Drohungen sein oder zwei Rufe zu Ruhm und Ehre.
    Er rang eine Weile mit sich und kramte schließlich die Anleitung hervor, wie man die mit seinem Anschluss verbundenen technischen Möglichkeiten nutzte, die er bis jetzt noch nie gebraucht, sondern nur bezahlt hatte. Nach mehreren Anläufen sah es so aus, als sei es ihm gelungen, eine Rufumleitung auf sein Mobiltelefon zu programmieren. Dann war es höchste Zeit, aufzubrechen, wenn er nicht zu spät zu seiner Sendung kommen wollte.
    Wut. Glühende, alles zermalmen wollende Wut. Eine Wut, die sie immer hatte geheim halten müssen. Du musst loslassen, Victoria. Du musst verzeihen, Victoria. Verzeihen ist der Weg zur Heilung. Atme. Entspann dich. Es ist vorbei. Hab Vertrauen.
    Viel Geld, alles für dumme Sprüche.
    Wut. Victoria musste den Mantel öffnen, weil die Wut so in ihr brannte. Sie hatte nicht verziehen, nicht vergessen, nicht losgelassen.
    Und vor allem … war es nicht vorbei .
    Sie setzte den Fuß auf die oberste Schwelle, den nächsten auf die darunter. Noch ein Schritt. Sie zog die Haustür hinter sich zu, schloss ab, umlodert von hellem Zorn, ging die Treppe hinab bis auf den Gehweg. Sie wich den Bäumen entlang der Straße aus; so dünn und dürr, wie die waren, würden sie sicher sofort Feuer fangen an ihrem lodernden Zorn.
    Peter. Warte nur. Ich hab dir was zu sagen, o ja, eine Menge hab ich dir zu sagen.
    Ein Schritt, bergab, noch einer. Ihr alter Weg, von früher, sie kannte alles noch, auch wenn es sich verändert hatte. Wie oft hatte sie Baumaschinen beobachtet von ihrem Fenster oben! Aber sie kannte sich noch aus.
    Wut. Wut hatte sie auch damals erfüllt, in dem Gespräch mit der Richterin, die darüber hatte entscheiden müssen, ob man

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