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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Südosten, und stopfte seine Pfeife mit getrocknetem Peyote und den Kräutern, die er mitgebracht hatte. Nach einem Gebet zu Yusun und dem Kind-des-Wassers entzündete er die Pfeife und begann, den Rauch mit geschlossenen Augen zu inhalieren.
    Erst hatten sie ihn immer wieder fortgeschickt, die Indianer. Wohin er auch gegangen war, jeder hatte ihm gesagt, das Peyote sei nichts für den weißen Mann, es werde ihn nichts lehren, es werde ihm die Erkenntnis verweigern. Bis er endlich den Schamanen ausfindig gemacht hatte, Einsamer Hirsch, der ihn aufgenommen und unterwiesen hatte. In einem Wohnwagen irgendwo nördlich von Amarillo hatte er gelebt, ganz allein, ein verhutzelter, schweigsamer Greis. Er hatte sich seine Bitten stumm angehört und ihn dann mit einer schlichten Handbewegung hereingebeten. Er hatte ihm die Bärenlieder beigebracht, die Lobpreisungen der Sonne, des Feuers und des Korns und schließlich den Umgang mit dem Peyote. Gemeinsam hatten sie Nächte durchwacht, schweigend, singend, tanzend, und am Ende den Morgen über der besten Welt aufgehen sehen, die es je gegeben hatte.
    Er konnte das Peyote nicht mehr essen, aber er war vertraut genug damit, dass auch der Rauch seine Wirkung tat. Die Umgebung versank, die Gedanken kamen zum Stillstand, die Welt hielt an. Der Geist ergriff Besitz von ihm.
    Ich besiege die Angst. Ich ergebe mich der Klarheit. Ich werde eins mit der Macht. Ich diene dem Gott der Gerechtigkeit.
    Er schlug die Augen wieder auf, sah den Glanz des Lebens rings um sich, war eins mit allem.
    Er löschte die Pfeife, tat sie beiseite, sammelte die Zedernstöcke ein, erhob sich. Nicht er war es, der sich bewegte, alle Bewegungen ereigneten sich, geschahen aus sich selbst heraus, verwiesen ihn auf den Platz des Zuschauers. So, wie es sein sollte. So, wie es richtig war.
    Er zog sich an. Socken, die Hose, die Stiefel. T-Shirt, ein Hemd, schließlich den Mantel. Zum Schluss stülpte er sich die schwarzhaarige Perücke über den kurz geschorenen Schädel und verband das Anschlusskabel mit der Buchse im Kragen.
    Dann setzte er sich auf das Bett.
    »Und jetzt?«, fragte Theresa skeptisch.
    »Jetzt?«, erwiderte sein Mund, ohne dass er nach Worten suchen musste. »Nichts. Ich sitze hier, bis der richtige Moment kommt.«
    »Was soll passieren auf diese Weise?«
    Sie wusste es nicht besser, lebte gefangen in der Welt der Glanzlosen, abgeschnitten von der Kraft und ohne jede Ahnung vom Kriegerpfad.
    »Was passieren soll«, sagte er geduldig, »das wird passieren.«
    Unterthalerried war eine jener gesichtslosen Stadtrandsiedlungen aus den Siebzigern, die inzwischen längst nicht mehr am Rand der Stadt lagen. Um einen blassen Kern aus Einkaufszentrum, Bezirksamt, Post und Ladenstraße im Waschbetonlook gruppierten sich Reihen kaum unterscheidbarer Mehrfamilienhäuser vom Reißbrett eines Stadtplaners. Ambick kannte das von den Entwürfen seiner Schwester: Die Rasenflächen und Bäume zwischen den kasernenartigen Gebäuden hatten im Modell zweifellos großartig ausgesehen.
    Er parkte in einer Parkbucht, die einmal eine Bushaltestelle gewesen sein musste. Vor langer Zeit. Er zog den Schlüssel ab, blieb aber erst mal sitzen.
    Voreilig. Es war voreilig gewesen, gleich herzufahren. Und er hatte Kopfweh.
    »Hast du deine Pistole?«, fragte er.
    Enno räusperte sich. »Du meinst, falls er da ist?«
    »Ging mir gerade durch den Kopf.«
    »Ja. Hab ich.« Er betastete seinen Parka, wie um sich zu vergewissern. »Sag mal, denkst du nicht, dass die Verdachtsmomente ausreichen, um gleich mit Verstärkung zu kommen? Goldlöckchen hin oder her?«
    Ambick beobachtete einen breitschultrigen Mann in einer orangefarbenen Jacke, der lustlos einen winzigen Hund Gassi führte und dabei rauchte. »Wenn sie uns abwimmelt, egal mit was für einer Ausrede, gehen wir wieder und kommen mit einem SEK zurück«, entschied er.
    »Vielleicht ist ja gar niemand da«, meinte Enno.
    »Kann auch sein.«
    »Was machen wir in dem Fall?«
    »Ins Ringhospital fahren.« Ambick stieß die Tür auf.
    Ein trüber Tag. Die vertrockneten Rasenflächen schimmerten fast silbrig. Überall lag Abfall herum, außer in den dafür vorgesehenen Drahtkörben.
    Als sie das Haus erreichten, kam gerade jemand heraus, eine untersetzte Frau mit Einkaufstasche, die sie misstrauisch musterte. Sie sagte nichts, als Enno rasch den Fuß in die zufallende Tür setzte. Vielleicht, überlegte Ambick, wirkten sie beide einfach seriös.
    Oder es kümmerte hier niemanden,

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