Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
da hatte er sie schon eingeholt, packte sie hart am Arm und hielt sie fest.
    »Ich weiß genau, dass du mit Steffen rummachst«, zischte er.
    Sie versuchte, sich loszureißen. »Mit Steffen? Spinnst du?«
    »Lüg mir nichts vor.«
    »Ich lüg dir nichts vor.«
    Und plötzlich tauchten noch drei Typen auf, alle in Timos Alter. Gülay kannte kein einziges der dreckig grinsenden Gesichter. Sie wollte schreien, doch da war schon eine Hand, die ihr den Mund zuhielt, und dann noch mehr Hände, die sie packten, begrapschten, in Richtung auf eines der verlassenen Häuser zerrten.
    »Wir werden jetzt alle ein bisschen Spaß haben«, erklärte Timo.
    Es klang drohend. Es klang böse . Und Gülay wusste, dass sie in diesem »wir« nicht mit eingeschlossen war.
    Einer trat die nur noch halb in ihren Angeln hängende Tür auf. Gemeinsam schleppten die vier sie hinein, stießen sie in ein leeres, völlig heruntergekommenes Zimmer und warfen sie auf eine stinkende Matratze, die dort schon bereitlag, mitten darin.
    Gülay schrie, als die Hand ihren Mund freigab. Die hatten das alles geplant! Timo hatte ihr eine Falle gestellt, das hier von Anfang an vorgehabt! Derselbe Timo, der sie gestreichelt und zu ihr von unsterblicher Liebe geflüstert hatte!
    Das tat von allem fast am meisten weh.
    Bis jetzt jedenfalls. Sie lag da, unten gehalten von einem, und spürte die Hände der anderen überall. Sie zerrten ihr die Jeans herunter und den Slip auch, sie hatte keine Chance. Sie wimmerte, dachte an ihren Vater, der von Anfang an gegen ihre Freundschaft mit Timo gewesen war, ihr immer gesagt hatte, dass Timo ein schlechter Mensch wäre. Das hatte sie ihm natürlich nicht geglaubt, türkische Väter eben, denen war doch keiner gut genug, erst recht, wenn es kein Türke war …
    Ob ihr Vater sie wohl verstoßen würde, wenn er davon erfuhr? Oder würde er sie rächen? Sie wusste es nicht, spürte nur, wie sie ihr die Hose immer weiter und weiter nach unten zerrten gegen ihren Widerstand, ihr Strampeln, ihr Winden.
    »Warte, ich mach Fotos«, rief einer. »Das ist zu geil.«
    Gülay drehte den Kopf zur Seite, brachte die Hände so weit frei, dass sie ihr Gesicht damit verdecken konnte. Dreckiges Gelächter um sie herum. Sie packten ihre Knie, spreizten ihr roh die Beine. Blitzlichter zuckten, sie sah es durch die geschlossenen Augen und die Tränen und den Rotz und alles. Sie wimmerte. Und noch mehr Gewieher, böses, erregtes Geschrei, Hände überall, an Stellen, an denen noch nie eine andere Hand gewesen war als ihre eigene. »Eine knackige Kanackin«, schrie einer, und sie kriegten sich kaum ein über diesen Witz.
    Gülay starb innerlich. Alles in ihr erstarrte. Das Einzige, was sie noch fühlte, war das brennende, überwältigende, alles ausfüllende Verlangen, zu überleben. Sie war entschlossen, alles hier reglos über sich ergehen zu lassen, und dann –
    Plötzlich war wieder Licht, ein anderes Licht, fahl und gleichmäßig. Filmten die das jetzt auch noch? Aber warum das Geschrei, diese Panik auf einmal? Man ließ sie los. Es knallte, viermal, ohrenbetäubend laut, dann erlosch das fahle Licht.
    Stille.
    Gülay nahm behutsam die Hände vom Gesicht. Die vier Jungen lagen rings um sie am Boden, reglos, mit weggeschossenen Schädeln, Löchern im Kopf, Blutlachen unter sich, blutige Spritzer an den Wänden hinter ihnen. Blut und Spritzer einer schleimigen grauen Masse.
    Und es roch wie in Silvesternächten, wenn alle Raketen abgefeuert waren.
    Gülay richtete sich auf, innerlich zu Eis erstarrt. Die Matratze hatte nichts von all dem Blut abbekommen, ihre Kleidung auch nicht. Sie würgte, als sie sah, wie sich schon die ersten Fliegen auf die Toten setzten. Weg. Nichts wie weg. Sie stand auf, zog sich wieder an, schnell, machte, dass sie aus dem Haus kam.
    Ihre Tasche lag auf der Straße, es war noch alles darin. Sie beschloss, nicht zu rennen, als sie weiterging. Sie beschloss, sich umgehend ein Zusatzticket für die fehlende Tarifzone zu kaufen. Und sie beschloss zu schweigen. Sie würde niemandem etwas von dem erzählen, was vorgefallen war, niemandem, niemals.
    Ingo hatte sich gerade ein Brot gemacht, das er im Stehen aß, mit Blick aus dem Fenster, als das Telefon klingelte.
    Es war Evelyn.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich es inzwischen von Herzen bereue, Sie zu meinem Schwiegervater geführt zu haben«, erklärte sie eisig. »Aber jetzt habe ich hoffentlich endgültig gelernt, was ich von Journalisten zu halten habe. Das wird

Weitere Kostenlose Bücher