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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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des Kriegs versteckt und danach adoptiert.«
    »Wieso? Wo waren Ihre Großeltern?«
    »Im KZ Dachau.«
    »Oh«, machte der Staatsanwalt. Er hielt inne, starrte angestrengt auf seine Unterlagen hinab, fingerte am Kragen seines Hemdes herum. »Verstehe.«
    Er mied den Blickkontakt. David konnte beinahe hören, was er dachte. Dem Staatsanwalt wurde jetzt erst klar, dass sich hier ein Jude gegen vier antisemitische Angreifer verteidigt hatte und dass es ganz schlecht aussehen würde, ihm daraus einen Strick zu drehen.
    »Gut«, stieß er schließlich hervor und schob sämtliche Papiere zurück in die Mappe. »Danke, Herr Mann. Das wäre im Moment alles. Sie, ähm … hören von mir.«
    Als David Mann, nicht ohne spürbare Erleichterung, wieder draußen auf der Straße stand, überlegte er, ob es wohl gegen das Gebot der Sabbatruhe verstoßen würde, eine E-Mail an das Abendblatt zu schicken, das, soweit er das mitbekommen hatte, gerade über ähnliche Fälle berichtete.
    Andererseits hielt er nicht in erster Linie aus religiösen Gründen am Sabbat fest, sondern weil er die Erfahrung gemacht hatte, dass es guttat und ihm auf lange Sicht besser bekam, einen gleichbleibenden Ruhepunkt in seinem Leben zu bewahren. Dass es auf den Samstag hinauslief, okay, das lag an seiner Herkunft: Es fühlte sich einfach richtig für ihn an.
    Wenn er diese Mail jetzt nicht schrieb, würde sie ihm den Rest des Tages im Kopf herumgehen. Das war nicht Sinn der Sache. Also zog er sein Telefon aus der Tasche und schaltete es ein.
    Es begann zu regnen.
    Ingo verbrachte den gesamten Vormittag in Elektronikmärkten und Computerläden und entschied sich endlich für einen Laptop vom oberen Ende der Preisskala. Wenn City Media das Ding schon zahlte. Zur Feier des Tages gönnte er sich eine Pizza im Bahnhofsviertel, die ihm allerdings auf dem Heimweg durch den Regen schwer im Magen lag. Gerade als er zu Hause ankam und eigentlich nur seinen Computer auspacken und seine nasse Hose ausziehen wollte – in dieser Reihenfolge –, klingelte das Telefon.
    Ingo zögerte, doch als es das fünfte Mal klingelte, nahm er ab.
    »Du bist fällig«, dröhnte Rado aus dem Hörer. »Setz dich. Hör dir mein Angebot an. Es ist eins, das du, wie man so schön sagt, nicht ablehnen kannst.«
    Rado war voll in Fahrt, hatte wahrscheinlich die Nacht durchgearbeitet. Ingo wusste, dass der Chefredakteur draußen in Oberbuch eine Wohnung besaß, aber er schien sich dort nur zum Schlafen aufzuhalten und auch das nicht immer.
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte Ingo und dachte nicht daran, sich zu setzen.
    »Ich will das Thema rund um diesen Racheengel ausbauen«, trompetete Rado weiter. »Und da ist mir unsere Sendung ›Anwalt der Bürger‹ eingefallen. Ahnst du, worauf ich hinauswill?«
    »Ähm … nein.«
    »Wir werden das Ding mal wieder umtaufen. Ist eh fällig, das alte Format ist ausgelutscht, der Moderator hat keine Lust mehr, hab ich dir ja erzählt. Ab Montag läuft sie deswegen unter dem Titel Anwalt der Opfer .«
    Ingo horchte auf. »Gute Idee.«
    »Und du, mein Lieber, wirst mitmachen.«
    »Ich?«
    »Du.«
    »Ähm … Du meinst, ich soll für ein Interview in die Sendung kommen?« Gar keine schlechte Idee, dachte Ingo.
    »Nicht ganz«, sagte Rado maliziös. »Du wirst die Sendung moderieren .«
    Die Besprechung fand nicht in Rados Büro statt, sondern im Untergeschoss des Ostturms, wo die Fernsehstudios von City Media lagen. Ingo kam sich vor wie auf einer Zeitreise: Da waren wieder diese riesigen, mit schwarzem Stoff bespannten Stellwände, die Scheinwerfer auf Gestellen, über die man ständig stolperte, die Kabel, die sich auf dem dunkelgrauen Plastikboden ringelten, dieser Geruch nach Hitze und verbranntem Staub.
    Genau wie damals bei der Kindersendung. Nur die bunten Bälle, die Reifen, Aufblastiere und Nummerntafeln fehlten. Und das Geschrei der Kinder, natürlich.
    Mal davon abgesehen, dass alles bei einem anderen Sender stattgefunden hatte, den es längst nicht mehr gab.
    An einem Stehtisch vor einem Kaffeeautomaten ergatterten sie einen Platz, an dem Rado seine Unterlagen ablegen konnte. »Mach dir keine Sorgen, das ist wirklich ein total simples Format«, erklärte er, ließ einen Kaffee heraus und stellte ihn Ingo hin. »Wir treiben ein paar Leute ins Studio, die interviewst du, fertig.«
    Ingo fingerte an dem Pappbecher herum und fand das alles andere als simpel. »Bis Montag? Ihr wollt bis Montag Interviewpartner auftreiben? Das ist übermorgen !«
    Rados

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