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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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worden war. Ambick kannte sich mit Computern aus, es hatte ihn nur nie sonderlich interessiert. Er besaß nicht einmal einen eigenen Computer – zum Ärger seiner Eltern, die nicht aufhörten, ihm damit in den Ohren zu liegen. Er solle sich doch ein Beispiel an seiner Schwester nehmen! Ines hatte Architektur studiert, reiste für die Projekte ihrer Firma – die Stadien, Häfen, Fernsehtürme und dergleichen baute – durch die Welt und war dank Skype trotzdem tagtäglich bei den Eltern zu Gast. Stundenlang manchmal. Kostete ja nichts. Mutter bereitete das Mittagessen vor und Ines in Tokio das Abendessen, und dabei plauderten sie über die in ihren Küchen aufgestellten Laptops und schauten sich per Webcam gegenseitig in die Töpfe. War es nicht großartig, wie die moderne Technik die Menschen miteinander verband?
    Ja, ja. Bloß wurde Ambick, wenn er das miterlebte, nie das Gefühl los, dass Ines auf diese Weise praktisch immer noch zu Hause lebte. Und dass es deswegen nicht klappte mit einem Mann und eigenen Kindern.
    Er durchsuchte die Datenbank mit den Verhörvideos, bis er gefunden hatte, was er suchte. Dann steckte er den USB-Stick aus seiner Hosentasche in die Buchse des Computers.
    Seltsam. Er konnte kaum glauben, dass er das tat.
    Am Dienstagabend lief Ingo erst kurz vor knapp im Studio ein, wo der Aufnahmeleiter ihn bereits ungeduldig erwartete. »Wir haben heute nur einen Gast, einen Professor Neci«, erklärte er Ingo – überflüssigerweise, aber das konnte er ja nicht wissen. »Hier, die Unterlagen. Und ich glaube, Sie stellen sich besser auf ein unangenehmes Gespräch ein.«
    Ingo nickte nur, nahm den Ordner, den Spute ihm reichte, und fragte: »Hat sich Herr Törlich eigentlich mal blicken lassen?«
    »Bis jetzt nicht.«
    Na toll. Der Hund.
    Andererseits: besser so. Weniger Ablenkung. Ein Glück, dass die Sendung heute live war, sonst hätte er gar nicht genug Zeit für seine Vorbereitungen gehabt. Ehe er in die Maske ging, fragte sich Ingo zum Tontechniker durch und erklärte ihm, was genau er auf ein Zeichen von ihm hin tun sollte.
    »Alles klar«, sagte der. »Sie können sich auf mich verlassen.«
    Die restlichen Minuten vergingen im Flug. Maske, die Karten mit den Fragen ein letztes Mal durchzählen, dann flammten schon die Scheinwerfer auf. Der Zuschauerraum wirkte heute voller als am Tag zuvor, so, als säßen die Leute dichter. Zappeliger schienen sie außerdem zu sein.
    Der härteste Teil war, seinen Nebenbuhler auch noch vollmundig ankündigen zu müssen als »einen der wohl bedeutendsten Soziologen unserer Zeit, sozusagen die offizielle Stimme der Gesellschaftswissenschaften«, aber der Plan erforderte es. Je größer er Matschi aufblähte, desto besser.
    Falls klappte, was er vorhatte. Falls nicht, würde es zum Eigentor werden.
    »Professor Neci«, begann Ingo, als sie in ihren Sesseln saßen, »Sie sind, wenn ich es richtig verstehe, nicht einverstanden mit der Art und Weise, wie heutzutage über das Thema Jugendgewalt diskutiert wird. Was genau kritisieren Sie?«
    »Ich kritisiere, dass in diesen Diskussionen keinerlei Anstrengung gemacht wird, die andere Seite zu verstehen«, sagte Neci. »Wir betrachten uns als Opfer, versuchen aber der Einsicht aus dem Weg zu gehen, dass das, was wir als Gesellschaft machen, Wirkungen hat, die das kritisierte Verhalten erst hervorbringen.«
    »Mit anderen Worten«, resümierte Ingo, »wenn ich überfallen und zusammengeschlagen werde, bin ich selber schuld?«
    Neci richtete sich auf. »Wenn Sie das, was ich zu erklären versuche, sofort auf derartig simple Stammtischparolen verkürzen, heißt das, dass Sie nicht an einer ernsthaften Diskussion interessiert sind«, donnerte er. »Womit Sie genau meinen Vorwurf bestätigen. So kommen wir in dieser Thematik nicht weiter.«
    Junge, Junge. Ingo war, als habe ihn ein Sandsack getroffen – ein Sandsack aus nichts als Worten. Das war vermutlich eine Kostprobe dessen, was Matschi in Streitgesprächen zu einem so gefürchteten Gegner machte.
    Er würde höllisch aufpassen müssen. Falls ihm das bislang noch nicht klar gewesen war, jetzt wusste er es.
    Ingo atmete einmal tief durch, bemüht, ruhig zu bleiben. »Gehen wir am besten Schritt für Schritt vor. Sie sprachen von Wirkungen, die wir als Gesellschaft auslösen. Was heißt das genau?«
    »Wenn Jugendliche gewalttätig werden, sind die Ursachen dafür im sozialen Umfeld zu suchen«, dozierte Neci. »In der Regel liegen frühkindliche Traumata vor –

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