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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Kind?«
    »Genau.«
    »Ablehnung durch die Eltern?«
    »Exakt.«
    »Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die daraus resultierende Frustration?«
    »So ist es.«
    »Fehlende anderweitige Anerkennung?«
    »Verschärft alles.«
    »Was ist mit Faktoren wie Charakter? Mitgefühl? Selbstdisziplin?«, fragte Ingo. »Welche Rolle spielt so etwas?«
    Neci musterte ihn wie ein Lehrer einen besonders begriffsstutzigen Schüler. »Der Charakter eines Menschen«, erklärte er betont, »ist das Resultat seines Aufwachsens, nicht dessen Ursache .«
    »Der Sozialtheoretiker Amitai Etzioni definiert Charakter als die Fähigkeit, seine Impulse zu kontrollieren und Belohnung aufzuschieben, was die Voraussetzung für Erfolg, Leistung und moralisches Handeln ist«, las Ingo von einer der Karten vor, die er heute Vormittag in aller Eile vorbereitet hatte. »Der Politikwissenschaftler James Wilson hat gesagt, ein guter Charakter umfasse mindestens Empathie und Selbstkontrolle.«
    »Die Gesellschaftswissenschaften sind ein weites Feld; natürlich werden Sie, wenn Sie lange genug suchen, nahezu jede beliebige Aussage finden und auch ihr Gegenteil«, erwiderte Neci mit ärgerlich gefurchten Brauen. »Aber ich weigere mich, auf so einem amateurhaften Niveau zu diskutieren, insbesondere, wenn Sie darauf bestehen sollten, jetzt auf einmal primitive soziobiologistische Argumente ins Spiel zu bringen. Fakt ist, dass der Mensch weitgehend prägungsfähig zur Welt kommt und sein Charakter, sein Temperament und seine Individualität sich aus seinen Erfahrungen ergeben, der Erziehung, die man ihm zukommen lässt, und allgemein der Kultur, in der er aufwächst.«
    Okay. Zeit, dass er dieser Scharade ein Ende bereitete. Ingo stand auf, gab dem Tontechniker unauffällig das Zeichen, das er vor der Sendung mit ihm verabredet hatte. »So weit das, was uns die Wissenschaft zu diesem Thema als Erklärungen anbietet, liebe Zuschauer«, sagte er, an die Kameras gerichtet. »Lassen Sie uns das nun anhand eines konkreten Lebenslaufes nachvollziehen. Ich habe dazu einen Mann ins Studio eingeladen, der im Alter von fünfzehn Jahren zum ersten Mal vor dem Richter gestanden hat – Simon Schwittol.«
    Der Aufnahmeleiter riss die Augen auf, blätterte hastig in seinen Unterlagen.
    Dort würde er nichts finden. Diesen Gast hatte Ingo heute früh in buchstäblich letzter Minute selber organisiert. Er hatte ihn abgeholt, ihm eine der Eintrittskarten in die Hand gedrückt, die er am Tag zuvor bekommen hatte, ihn zum Eingang für die Zuschauer begleitet – und das Beste gehofft.
    Nun überquerte Ingo die Bühne, trat über deren Rand hinab in den Zuschauerraum. Die Kameras folgten ihm, während er auf einen bärenhaft großen, glatzköpfigen Mann zuging, der in der ersten Reihe ganz außen saß.
    »Guten Abend, Herr Schwittol«, begrüßte er ihn.
    »Guten Abend, Herr Praise«, erwiderte der Mann, der deutlich über sechzig war, ein kariertes Hemd trug und die schaufelartigen Hände im Schoß gefaltet hielt.
    »Herr Schwittol, welches Verhältnis hatten Sie zu Ihrem Vater?«
    »Gar keines. Mein Vater hat meine Mutter verlassen, noch bevor ich auf der Welt war.« Die Kameras fanden ihre Positionen, brachten, wie Ingo in einem Hilfsmonitor sah, das von unvollständig verheilten Aknenarben gezeichnete Gesicht des Mannes in Großaufnahme. »Ich bin mit einem Stiefvater aufgewachsen, der mich nicht leiden konnte.«
    »Hat er sie geschlagen?«
    »Bei jeder Gelegenheit. Besonders schlimm, wenn er betrunken war, was im Lauf der Zeit immer häufiger vorkam.«
    »Wie war das Verhältnis zu Ihrer Mutter? Erfuhren Sie bei ihr Liebe und Zuwendung?«
    »Nein. Sie war jung, wollte was erleben, ich war ihr lästig. Sie hat mich schon früh allein zu Hause gelassen. Tagsüber, um zu arbeiten, und abends, um sich zu amüsieren.«
    Ingo sah auf. Der Aufnahmeleiter wirkte sauer wegen der unabgesprochenen Einlage. Neci, auf den immer noch eine Kamera gerichtet war, nickte dagegen sichtlich zufrieden.
    »Wie haben Sie darauf reagiert?«
    Der grauhaarige Mann hob die Schultern. »Als Kind nimmt man die Dinge hin. Wenn ich allein war, hatte ich wenigstens keine Schläge zu befürchten. Sobald meine Mutter oder mein Stiefvater nach Hause kamen, habe ich mich versteckt. Solange er da war, hatte ich immer Angst.«
    »Wie war es in der Schule? Hatten Sie Freunde? Haben Sie Solidarität erfahren? Solidarität, haben wir gerade gehört, ist enorm wichtig.«
    »Ich war derjenige, auf dem alle

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