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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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kommt gerade jemand.«
    »Kein Problem«, sagte Ingo.
    Nach dem Telefonat saß er einfach nur da und schaute dem blauen Balken zu, wie er den 100 Prozent entgegenstrebte. Die Absenderadresse sagte ihm überhaupt nichts, eine wilde Folge von Buchstaben und Ziffern, so ähnlich wie die E-Mail-Adresse, die der IT-Mensch letzte Woche verwendet hatte, als es darum gegangen war, so zu tun, als sei das Video mit dem Racheengel per anonymer Mail auf Ingos alten Rechner geschickt worden.
    An diesem Punkt seiner Überlegungen stutzte Ingo. War das hier am Ende …?
    Auf einmal konnte er es kaum erwarten, dass der Download abgeschlossen war. Noch vier Prozent. Noch drei. Er legte die Hände vor den Mund, spürte, wie sich sein Körper verspannte. Achtundneunzig. Neunundneunzig.
    Endlich verschwand der Balken. Ingo klickte die Mail an.
    Machen Sie was draus .
    Das war der ganze Text. Und die Anlage, dreiundsechzig Megabyte groß, war tatsächlich ein Video. Ingo ließ es laufen, verließ sich wie immer darauf, dass die Anti-Viren-Software ihn irgendwie vor dem Schlimmsten bewahren würde.
    Zunächst erschien einfach weiße Schrift auf schwarzem Grund: Vernehmung Zeuge Sven Dettar. Dazu eine zehnstellige Identifikationsnummer und das Datum vom Dienstag letzter Woche. Dann: ein Krankenhausbett, darin ein verstört wirkender Jugendlicher, vielleicht achtzehn, neunzehn Jahre alt, mit kahl geschorenem Kopf.
    Zwei Männer, die rechts und links des Bettes saßen und von denen man nur die Hinterköpfe sah, befragten ihn. Ihre Stimmen hallten in dem leeren Krankenzimmer, waren manchmal kaum zu verstehen. Den Jungen verstand man gut. Die Männer fragten ihn nach seinem Namen, nach Wohnort, Geburtsdatum und anderen persönlichen Daten. Er antwortete einsilbig, aber gehorsam.
    Dann fragte einer der Männer, was passiert sei.
    Der Junge zog den Kopf ein, schien im Kissen verschwinden zu wollen. Er schluckte, musste mehrmals ansetzen. Dann sagte er: »Da war ein Engel.«

18
Ingos Herz pochte wild, als das Video zu Ende war. Er tastete nach seiner Nase, befühlte die Oberlippe, ob da etwa schon wieder Blut …? Nein. Zum Glück. Sein Blutdruck musste auf einem ziemlich ungesunden Wert sein.
    Von wem kam dieses Video? Und was sollte er damit anfangen? Seine Hand zitterte, als er nach der Maus griff und den Videozeiger zurücksetzte, irgendwo in die Mitte, dahin, wo es anfing, interessant zu werden. Ach was, interessant – erschütternd!
    »Da war auf einmal Licht. So wie Neonlicht. Als hätte jemand eine Neonröhre eingeschaltet«, stammelte der blasse Junge in dem Krankenhausbett. »Ich hab mich gewundert, was das sein kann, aber da hat er schon geschossen, hat Nico abgeknallt und Tim. Ich hab gesehen, wie es rausspritzt, das Blut, das Hirn, wie aus ’nem Spray kam das aus ihren Köpfen raus …«
    Er verstummte, bebte am ganzen Leib.
    »Und dann?«, fragte einer der Männer.
    »Es war der Engel«, flüsterte der Junge mit heiserer Stimme. »Ich hab mich umgedreht, und da war er. Hat geleuchtet, von oben bis unten. Ehrlich. Ich hab so was noch nie gesehen. Jemand, der wie in Licht getaucht dasteht. Als würde er von innen raus leuchten … Ich hab gleich gewusst, dass es ein Engel sein muss. Er hat keine Flügel gehabt oder so, aber er sah so unwirklich aus, so … Keine Ahnung. Einen langen Mantel hat er angehabt, bis fast zu den Knöcheln runter, und der Mantel hat gestrahlt, richtig geleuchtet hat der. Echt. Ich bin da gestanden und hab … keine Ahnung, ich weiß nicht mehr, was ich gedacht hab. Ich hab bloß gedacht, Scheiße, meine Oma hat recht, es gibt ja doch Engel, das ist ja doch alles wahr. Und da hält mir der Engel eine Pistole vors Gesicht und sagt: ›Von jetzt an werden alle, die Schwächere oder Unschuldige angreifen, sterben. Du bist die letzte Ausnahme, die ich mache.‹ Genau das hat er zu mir gesagt.«
    Die Hände des Jungen hatten sich in die Bettdecke gekrallt, zogen daran, als wolle er darunter Schutz suchen.
    »Dann ist er auf mich zugekommen. Hat auf mich gezielt mit seiner Knarre, genau auf meine Stirn, ich schwör, genau zwischen die Augen. Scheiße, hab ich gedacht, jetzt ist es aus.«
    Sein Brustkorb hob und senkte sich rasch. Er hechelte, schluckte ohne Unterlass, schien nicht mehr imstande, weiterzusprechen.
    »Und dann?«, bohrte der Mann nach.
    Der Junge holte tief Atem, bibbernd. »Dann hat er gesagt: ›Sag allen, dass ich von jetzt an über diese Stadt wache. Und dass ich alle bestrafe, die sich an

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