Todesengel
wollte Angela bei ihrem Haus vorbeischauen; sie hatte noch immer die leise Hoffnung, daß David inzwischen vielleicht dort angekommen war. Doch als sie in die Auffahrt einbog, wurde sie enttäuscht. Weit und breit kein Volvo.
Mit einem Ruck brachte sie das Auto im Hof zum Stehen. Als Angela einen Blick auf das Haus geworfen hatte, wußte sie sofort, daß alles noch genauso war wie vor ein paar Stunden. Doch sie wollte sich absolute Gewißheit verschaffen.
»Bleib im Auto«, befahl sie Nikki. »Ich bin gleich zurück.«
Angela öffnete die Haustür und rief nach David, doch niemand antwortete ihr. Bei ihrem schnellen Rundgang durch das Haus kontrollierte sie auch, ob das Ehebett zerknittert aussah. Doch es war nicht benutzt worden. Danach schlug sie rasch die Adressen von Devonshire, Forbs, Maurice, van Slyke und Ullhof nach und schrieb sie auf einen Zettel. Gewappnet mit dieser Adressenliste und ihrem Gewehr lief sie zurück zum Auto. »Mom, du fährst wie eine Wilde«, bemerkte Nikki, als Angela so rasant anfuhr, daß die quietschenden Reifen auf der Straße Spuren hinterließen.
Angela fuhr etwas langsamer weiter. Als sie bei der ersten Adresse ankamen, stellten sie fest, daß sie sich vor einem Tabakwarenladen befanden. Angela bog in den Parkplatz ein.
Nikki sah zu dem Geschäft hinüber und schaute dann ihre Mutter an. »Was wollen wir hier?« fragte sie. »Ich weiß es auch nicht genau«, erwiderte Angela. »Halt nach dem Volvo Ausschau.«
»Ich sehe ihn nicht«, sagte Nikki.
»Ja, Schatz. Ich sehe ihn auch nicht.« Hastig legte Angela einen Gang ein und raste zur nächsten Adresse. Es war die von Joe Forbs. Sie fuhr langsam an das Haus heran. Drinnen brannte Licht, doch der Volvo war nirgends zu sehen.
Enttäuscht ließ Angela den Motor wieder aufheulen und brauste davon.
»Du fährst immer noch wie eine Irre, Mom«, beklagte sich Nikki. »Tut mir leid«, erwiderte Angela und reduzierte das Tempo ein wenig. Dabei fiel ihr auf, daß sie das Lenkrad so fest umklammert hatte, daß ihre Finger ganz steif waren.
Sie näherten sich der Adresse von Maurice. Angela fuhr etwas langsamer, doch sie sah sofort, daß in dem Haus kein Lebenszeichen zu erkennen war; alle Fensterläden waren verschlossen. Wieder trat Angela das Gaspedal voll durch.
Ein paar Minuten später bogen sie in die Straße ein, in der van Slyke lebte. Angela entdeckte den Volvo sofort. Nikki sah ihn ebenfalls. Jetzt gab es wenigstens wieder einen Hoffnungsschimmer. Angela parkte direkt hinter Davids Wagen, schaltete den Motor ab und sprang heraus. Als sie auf den Volvo zuging, sah sie, daß auch Calhouns Lieferwagen an der Straße geparkt war. Angela schaute in beide Fahrzeuge hinein. Dabei fiel ihr die schmutzige Kaffeetasse in Calhouns Wagen auf; sie sah so aus, als stünde sie schon seit mehreren Tagen dort. Angela sah zur anderen Straßenseite hinüber und betrachtete das Haus von van Slyke. Daß drinnen nicht ein einziges Licht brannte, brachte ihre Alarmglocken zum Schrillen.
Sie rannte zurück zum Auto und schnappte sich das Gewehr. Als Nikki Anstalten machte, ebenfalls auszusteigen, schrie Angela ihr zu, daß sie sich nicht vom Fleck rühren solle. Angelas Tonfall verriet Nikki, daß sie ihre Mutter diesmal nicht würde umstimmen können. Mit dem Gewehr in der Hand überquerte Angela die Straße. Als sie die Treppe zur Haustür hinaufstieg, dachte sie kurz darüber nach, ob sie nicht besser zur Polizei gehen sollte. Immerhin bestand nun kein Zweifel mehr daran, daß was Ernstes vorgefallen war. Aber was konnte sie von der örtlichen Polizei schon erwarten? Außerdem war es durchaus möglich, daß jetzt schnelles Handeln vonnöten war.
Angela drückte auf den Klingelknopf neben der Haustür, doch sie merkte sofort, daß die Klingel nicht funktionierte. Deshalb klopfte sie laut an die Tür. Als niemand reagierte, probierte sie, ob die Tür sich öffnen ließ. Sie war tatsächlich nicht verschlossen. Angela drückte die Tür auf und schlich sich vorsichtig in das Haus. Dann schrie sie so laut sie konnte nach David.
David hatte sich gegen einen Korb voller vertrockneter Äpfel gelehnt. Als er Angelas Stimme hörte, richtete er sich abrupt auf. Das Rufen war so schwach und kam aus einer solchen Entfernung, daß er seinen Ohren zuerst nicht trauen wollte; er befürchtete, daß er jetzt wahrscheinlich auch noch unter Halluzinationen litt. Doch dann hörte er die Stimme noch einmal. Diesmal wußte er, daß tatsächlich jemand gerufen
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