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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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oder Ostern die Kanzlei für ein paar Tage in der Gewissheit schließen zu können, dass in dieser Zeit kein Geschäftsbetrieb stattfinden konnte, deshalb keine Post und keine Telefonate eingingen, die man nach Rückkehr abarbeiten musste, reichten ihm bisher aus. Marie, sollte sie denn eines Tages Lehrerin sein, wusste noch nicht zu würdigen, was mehrere Wochen Ferien am Stück bedeuten, die in der Gewissheit genossen werden durften, dass in dieser Zeit keine Fristen ablaufen, keine Mandate abwandern, keine Posteingänge sich stapeln können und kein ungeduldiger Mandant vertröstet werden musste. Ostern nach Mallorca? Alternative: Irgendetwas hier machen, im Hinterkopf die Trennung von Lisa, die Wohnung in Huckarde, die, wenn er sie behalten wollte, irgendeiner Einrichtung bedurfte. Oder ein Besuch bei seinen Eltern in Telgte im Münsterland, die er nur selten sah, aber nicht unbedingt dann sehen musste, wenn das katholische Münsterland im Osterfest schwelgte und allerorts die fetten Osterbraten in den Mündern schmatzten, die zu dieser Zeit mit Löffkes Essgewohnheiten im Wettstreit zu stehen schienen.
    Ostern auf Mallorca? Ja! Sie suchten im Internet nach passenden Flügen von Dortmund nach Palma und zurück. Erwartungsgemäß waren die Platzkapazitäten um diese Zeit fast erschöpft und die Flüge alles andere als günstig. Aber das war jetzt zweitrangig. Sie fanden auch noch eine einfache Pension in der Innenstadt von Palma, die Marie von einem Urlaub mit einer Freundin vor zwei Jahren kannte. Und als alles per Internet gebucht und bestätigt, sogar für Karfreitagmorgen ein Auto gemietet war, schenkte er ihr diese Reise, und sie nahm das Geschenk mit leuchtenden Augen an. Knobel hatte für einen Augenblick befürchtet, sie würde das Geschenk zurückweisen, so wie Lisa jedes seiner Geschenke mit einem gleichwertigen Geschenk vergolten hatte, weil sie sich zwar einander beschenkten, aber unausgesprochen galt, dass sie einander nichts schenkten.
    »Und in Bezug auf Herrn Pakulla«, meinte Marie, »wird er selbst uns den Weg weisen. Drei Bitten habe ich: Erstens: Nimm dir Gregor Pakulla nicht zur Brust! Stelle ihm keine Fragen, die sich mit den Punkten beschäftigen, die wir gerade erörtert haben! Zweitens: Fordere von deinem Mandanten weitere 10.000 Euro an! Und Drittens: Setz dich mit dem Galeristen in Verbindung und bitte ihn, Gregor Pakulla anzurufen und ihm das mitzuteilen, was er dir selbst erzählt hat, als du ihn neulich in seiner Galerie aufgesucht hast!«
    Knobel versprach es. »Aber unsere Mallorcareise wird nicht mit der Suche nach Sebastian Pakulla gefüllt …!?«
    Marie versprach es.
     
    Knobel fuhr abends noch in die Varziner Straße zurück. Er aß im Anadolugrill einen Döner, besorgte sich an der Trinkhalle schräg gegenüber einen Weißwein, antwortete auf die unerwartete Frage Lieblich oder trocken? mit einem Schulterzucken, erstand sogar einen Block kariertes Papier und zog sich in seine Wohnung zurück, schaltete den leuchtenden Wasserfall ein und griff nach dem Kugelschreiber in seiner Anzuginnentasche.
     
    Nachdem Knobel die Zellophanschutzhülle von dem Papier entfernt, den Döner verspeist und einen kräftigen Schluck aus der Weinflasche getan hatte, schrieb er:
     
    Lieber Schwiegervater!, und kaum, dass er diese Worte geschrieben hatte, ersetzte er sie durch Lieber Helmut !, strich dann das Wort Lieber , sodass eine dem Brief des Schwiegervaters ebenbürtige Anrede, das nüchterne Helmut dastand, was ihm nach einem weiteren Schluck Weißwein als zu einsam erschien. Er setzte ein Fragezeichen dahinter, doch Helmut? war ja keine Anrede, und das Fragezeichen würde seinen Antwortbrief eher beschließen als einleiten. Des Schwiegervaters Brief lag abgeheftet in der von Frau Meyer-Söhnkes neu angelegten Akte, aber Knobel hatte sich nach nur einmaligem Lesen dieses Briefes dessen Inhalt genauestens eingeprägt. Er hätte einzelne Passagen wortgetreu wiederholen können. Mehr noch als der Inhalt verletzte die Wortwahl, die Herabwürdigung, die durchgängige Beleidigung. Helmut, du Großmeister des Grand Cru , fiel ihm als Anrede ein, dann Helmut, du ›Schnittenstreicher‹ , ersetzte das Wort dann durch › Tittenstreicher‹ .
    Der Alkohol machte die Beleidigung einfach und schneidend, aber Knobel wurde, als er den Riesling ausgetrunken hatte, ernst und nüchtern.
    Lieber Helmut, schrieb er .
    Du magst schreiben, was du willst und dich rechtlich ausdrücken, wie du es kannst und ich

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