Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
Vom Netzwerk:
sich. »Entschuldigen Sie die Störung am Feiertag! Aber ich stehe gerade mit meinem Freund vor Ihrem Büro in Sa Pobla. Wir suchen etwas – und vielleicht können Sie uns behilflich sein!«
    Frau Praetorius erwiderte ein oder zwei Sätze, und Maries Gesichtszüge hellten sich auf. »Das ist sehr nett von Ihnen, danke sehr!«, sagte sie und beendete das Gespräch.
    »Sie wohnt gleich hier im Hinterhaus und holt uns am Tor ab. Wenn sie hier lebt und arbeitet, wird sie unseren Sebastian Pakulla vielleicht einmal gesehen haben oder zumindest etwas von ihm wissen. Ich denke, dass die Menschen in diesem Viertel viel voneinander wissen. Es ist überschaubar, und es wohnen offensichtlich fast ausschließlich Einheimische hier.«
    Kaum, dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, öffnete sich rechts von ihnen ein Hoftor und eine etwa 35-bis 40-jährige Frau mit langen schwarzen Haaren erschien.
    »Praetorius«, stellte sie sich vor. »Kommen Sie herein! Sie wissen ja: Heute ist Feiertag. Da darf ich mich unter keinen Umständen im Büro sehen lassen!«
    Als sei auch der Empfang von Besuch etwas Verbotenes, schaute sie kurz nach rechts und links die Straße hinunter, dann bat sie die beiden hinein und schloss hinter ihnen das Tor. Sie folgten ihr über den Hof. Frau Praetorius war eine überaus attraktive Frau. Sie hatte, wie Knobel für sich feststellte, auf den ersten Blick das gewisse Etwas, ohne dass er genau hätte benennen können, was den Reiz dieser Frau ausmachte. Jedenfalls verhalf nicht zuletzt das weite rote Kleid zu einer erotischen Ausstrahlung, und der bräunliche Teint, ihre makellosen Zähne und das lange schwarze Haar taten ein Übriges. So stellte sich Knobel eine Mallorquinerin vor. Er folgte Frau Praetorius und Marie eine steile Holztreppe hinauf in den ersten Stock des Hofgebäudes. Nacheinander traten sie in eine helle, weite mit Intarsienschränken bestückte Diele, an die sich ein elegantes großes Wohnzimmer mit gewölbter Decke anschloss.
    »So eine schöne Wohnung!«, rief Marie entzückt, und bevor sie ihrer Bewunderung mit weiteren Worten Ausdruck verleihen konnte, stockte Knobel der Atem und trat unsicher auf den Mann zu, der links neben der Wohnzimmertür an einem runden Esstisch saß und deshalb nicht sofort ins Blickfeld gefallen war.
    »Guten Tag, Herr Pakulla«, sagte Knobel, und der Mann war sichtlich noch mehr überrascht als Knobel, denn er stand mit bleichem Gesicht auf, schwieg unsicher, blickte irritiert zu Frau Praetorius, zu Marie und dann auf Knobel.
    »Das ist mein Mandant, Herr Gregor Pakulla«, stellte Knobel vor. »Und das ist Marie Schwarz, die Studentin, die Sie vom Hörensagen ja kennen.«
    »Sie sollten meinen Bruder Sebastian finden, nicht mich«, erwiderte Pakulla und versuchte ein Lächeln.
    »Vielleicht finde ich mit Ihnen den Richtigen«, antwortete Knobel, daran Gefallen findend, dass er als einziger die Überraschung schnell überwunden hatte.
    »Ob Sie es glauben oder nicht: Als Kirsten nach dem Anruf eben sagte, dass eine Frau Schwarz mit ihrem Freund vor der Tür stehe, habe ich einen Moment, aber wirklich nur einen kurzen Moment, daran gedacht, dass Sie und Ihre Studentin es sein könnten. Aber dann dachte ich mir: Schwarzens gibts wie Sand am Meer, und bestimmt ist es nicht die Schwarz meines Herrn Knobel, die sich am späten Nachmittag des Karfreitags in das Städtchen Sa Pobla auf Mallorca verirrt. Und wie ich sehe, habe ich mich geirrt. Da steht leibhaftig mein Anwalt mit seiner Detektivin vor mir!«
    Marie nickte.
    »Und ich vermute mal, mein lieber Herr Knobel, es ist nicht nur eine Studentin, sondern, wie ich von Anfang an vermutet habe, Ihre Freundin, Ihre Vertraute, Ihre Geliebte, oder etwa nicht?«
    Jetzt gelang Gregor Pakulla tatsächlich ein Lächeln, aber sein Gesicht verriet keine weitere Regung. Die Überraschung schien verflogen.
    »Und ich darf Ihnen gratulieren, Herr Rechtsanwalt! Ihre Freundin ist außergewöhnlich hübsch. Man stellt sich immer einen Menschen, den man noch nie gesehen, sondern von dem man nur gehört hat, in irgendeiner Weise vor. Und als ich von Ihrer Germanistikstudentin hörte, Herr Knobel, da stellte ich mir eine junge Frau vor, die verbissen über ihren Büchern brütet und hin und wieder spröde Aufträge für die Kanzlei Dr. Hübenthal & Knobel abarbeitet. Ich weiß nicht, warum, aber so stellte ich mir das eben vor. Und jetzt steht eine junge Frau vor mir, die förmlich Lebenslust versprüht, obwohl sie noch kein Wort

Weitere Kostenlose Bücher