Todesfahrt: Thriller (German Edition)
übelnehmen. Unsere Militärs sind gereizt, weil sie diese Mordbrenner nicht stoppen können. Es sind alles stolze Somalis, müssen Sie wissen, deren Vorfahren gefürchtete Krieger waren. Sie hassen es, zu versagen.«
Torsten nickte, begriff aber auch, dass Omar Schmitt sich nicht so ganz zu diesen Männern zählte. Der Unterschied zwischen einem Nest in Hessen und den staubigen Steppen und Hügeln Somalias war wohl doch zu groß, um mit einem Schritt bewältigt zu werden.
VIERZEHN
J
amanah funkelte den Händler zornig an. »Ich lasse mich nicht betrügen! Meine Ziegen und Schafe sind viel mehr wert als die paar Schillinge, die du mir dafür geben willst.«
»Im Grunde sind sie gar nichts wert«, antwortete der Mann spöttisch. »Zum einen besitzt du kein Land, um sie weiden zu lassen, und zum anderen wollen auch andere ihre Tiere verkaufen. Entweder du akzeptierst meinen Preis, oder du lässt deine Viecher verhungern!«
Zu Jamanahs Leidwesen hatte der Händler recht. Dennoch war der Preis, den er ihr bot, unverschämt niedrig. Dafür bin ich nicht tagelang durch die Steppe gestreift, um die Tiere wiederzufinden, dachte sie und schüttelte den Kopf.
»Bevor ich dir mein Vieh zu diesem Preis überlasse, erschieße ich es und verkaufe das Fleisch.« Da Jamanah bei diesen Worten gegen ihre Kalaschnikow klopfte, glaubte ihr der Mann.
Er kam näher auf sie zu und mäßigte seine Stimme zu einem Flüstern. »Ich gebe dir um die Hälfte mehr. Aber das darfst du niemandem sagen, verstanden?«
Jamanah überlegte. Auch dieser Preis war noch jämmerlich gering, doch sie konnte mit den Tieren nichts anderes anfangen, als sie zu verkaufen oder zu schlachten. Die einheimischen Familien, die hier ihre Weidegründe besaßen, wollten diese nicht mit den Flüchtlingen teilen. Man neidete ihnen sogar die einfachen Zelte, in denen sie hausten. Daher waren sie und die übrigen Leute aus ihrem Dorf auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen. Soldaten verteilten Lebensmittelpakete, die jedoch nicht ausreichten, um alle satt zu machen. Wer mehr Vieh besaß, als er schlachten konnte, verkaufte es für ein paar Schillinge und hoffte, für das Geld später, wenn sie wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten, ein paar Ziegen erstehen zu können. Wer früher einmal eine große Herde besessen hatte, würde mit einer viel kleineren wieder anfangen müssen. Diejenigen jedoch, die nur wenig Vieh ihr Eigen genannt hatten, besaßen nicht einmal diese Aussicht. Sie würden arm bleiben und für andere als Hirten arbeiten müssen, wenn sie sich nicht, wie viele junge Männer, von der Armee anwerben ließen.
Diese Möglichkeit war ihr jedoch verwehrt. Nach kurzem inneren Kampf akzeptierte Jamanah daher den Preis und steckte das Bündel zerfledderter Scheine in die Brusttasche ihrer Uniformjacke. Danach ging sie zu dem Zelt weiter, über dem eine Fahne mit einem roten Halbmond wehte. Eine ausländische Ärztin versuchte dort, verletzten Flüchtlingen zu helfen.
Jamanah spürte immer noch die Prellungen, die sie sich beim Überfall auf ihr Dorf zugezogen hatte, und fragte sich, ob die Fremde auch ihr helfen konnte. Daher setzte sie sich in eine Ecke und sah der Frau interessiert bei ihrer Arbeit zu.
Nach einer Weile blickte die Ärztin sie an. »Was fehlt dir?«, fragte sie auf Englisch, merkte aber, dass Jamanah kein Wort verstand. Rasch rief sie ihren einheimischen Helfer zu sich und zeigte auf die junge Frau. »Frag sie, was sie will!«
Der Mann winkte verächtlich ab. »Die Banditen haben ihre Familie umgebracht und sie vergewaltigt. Seitdem ist sie nicht mehr ganz richtig im Kopf. Sie brauchen sich nicht um sie zu kümmern.«
Doch gerade diese Auskunft erweckte Dr. Anja Kainz’ Interesse. Während sie weiterarbeitete, sah sie sich immer wieder zu Jamanah um. Als schließlich der letzte Verwundete versorgt war und auch die Frauen verschwunden waren, die ihre kranken Kinder zu ihr gebracht hatten, schickte sie ihren Helfer hinaus und bedeutete Jamanah, näher zu kommen.
Diese folgte misstrauisch ihren Gesten und wunderte sich, als die Ärztin sie aufforderte, auf der einfachen Liege Platz zu nehmen.
»Ich will sehen, ob du verletzt worden bist, als man dich vergewaltigt hat«, sagte sie und überlegte, wie sie das der jungen Frau erklären sollte. Zuletzt deutete sie auf ihren eigenen Schoß und dann auf den Jamanahs und tat dabei so, als würde sie diesen untersuchen.
Jamanah versuchte zu begreifen, was die andere wollte. Da sie
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