Todesfahrt: Thriller (German Edition)
Zweimal war sie schon mit der Flanke gegen ein Hindernis gekracht, und einmal wäre sie beinahe im Sand eines ausgetrockneten Bachbetts stecken geblieben. Erst als sie die erbeuteten Uniformjacken unter die Antriebsräder gelegt hatte, war es ihr gelungen, aus dieser Falle herauszukommen.
Aber das alles waren harmlose Probleme gegen das, was ihr nun entgegenkam. Es handelte sich um ein ähnliches Fahrzeug wie das ihre und war mit vier Männern besetzt, von denen drei mit ihren Gewehren in ihre Richtung zielten. Zwar konnte Jamanah die Hoheitszeichen an den Seiten des Wagens nicht erkennen, doch es handelte sich mit Sicherheit nicht um Somalis aus ihrem Stamm, sondern um Warsangeli oder Majerten.
Sie war sich der Gefahr bewusst, in der sie nun schwebte. Wenn sie nicht riskieren wollte, erschossen oder vergewaltigt zu werden, musste sie sich etwas einfallen lassen. Daher hob sie den Arm und winkte den Männern zu. Die vertrauliche Geste schien deren Misstrauen zu besänftigen, denn die Läufe der Waffen senkten sich, und der Fahrer hielt seinen Geländewagen an.
»Sie halten mich für einen der ihren«, sagte Jamanah leise zu sich selbst. Das lag wohl an der Soldatenkleidung, die sie trug. Da die Tarnfleckenuniformen aller Milizen einander ähnlich sahen und deren Mitglieder einander oft nur anhand der aufgenähten Symbole erkennen konnten, bot ihr dies eine Chance.
Einer der Milizionäre rief etwas, das sie nicht verstand.
»Was hast du gesagt?«, fragte sie mit vor Aufregung zu heller Stimme.
»Wie kommst du hierher, Kleiner?«
»Mit diesem Ding da!« Da Jamanah gleichzeitig über einen großen Stein fuhr, wurde ihr das Lenkrad aus der Hand gerissen, und der Wagen schwang scharf nach rechts. Mit einem Fluch brachte sie ihn wieder unter Kontrolle und hörte die Männer lachen. Dann aber merkte sie, dass der Zwischenfall ihr eine unerwartete Chance bot. Durch den Schwenk konnten die anderen ihren rechten Arm nicht mehr sehen. Vorsichtig griff sie nach unten, packte den Griff einer erbeuteten Cobray M-11 und löste die Sicherung. Dann wartete sie, bis sie den anderen Wagen fast erreicht hatte. In dem Augenblick drückte sie aufs Gas und feuerte gleichzeitig das gesamte Magazin auf die Männer ab.
Zwei Milizionäre sanken zusammen, bevor sie begriffen, was geschah. Ein weiterer gab noch ein paar Schüsse auf sie ab, verfehlte sie aber. Der letzte Freischärler duckte sich hinter einen seiner getroffenen Kameraden und zielte auf sie. Doch ehe er den Abzug seiner MP drücken konnte, explodierte die Munition in seinem Fahrzeug, und es gab einen Feuerball.
Der Knall ließ Jamanahs Ohren beinahe taub werden. Gleichzeitig packte sie die Angst. Diesen Krach hatten bestimmt auch andere Milizionäre gehört, und die würden sich gewiss nicht freuen, dass sie deren Kameraden getötet hatte. Ein Teil von ihr fragte sich, ob dies wirklich nötig gewesen war. Vielleicht hätte sie auch mit den Männern reden können. Was war, wenn es sich um Feinde der Sultana Sayyida gehandelt hatte, also um Verbündete?
Mit einem Mal war sie unendlich traurig. Offensichtlich war sie nicht zur Rächerin geboren. Doch sie war die Letzte ihrer Sippe, und sie wollte nicht mit dem Wissen weiterleben, dass die Mörder ihrer Familie ihrer Strafe entgingen. Gleichzeitig wurde das Gefühl in ihr stärker, eine aus der Art geschlagene Frau zu sein, die sich nicht in die Rolle schickte, die Allah ihr zugedacht hatte.
ACHT
S
ie waren auf Wegen, die Torsten Renk nicht nachvollziehen konnte, wieder auf das Territorium der Republik Somaliland zurückgekehrt. Zwar wurde dieses Gebiet auch von den Warsangeli aus Sanaag sowie den Majerten von Puntland beansprucht. Doch trotz der Überfälle durch die unheimlichen Todesschwadronen war es den Soldaten Somalilands bis jetzt gelungen, die Kontrolle über diesen Landstrich zu behalten. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass die Dörfer leerstanden, weil die Bewohner getötet oder vertrieben worden waren.
»Irgendwann werden wir diese Mordbrenner erwischen und sie für alles bezahlen lassen«, erklärte Omar Schmitt, als sie mit einem in Laasqoray entwendeten Geländewagen an einem zerstörten Dorf vorbeifuhren.
Ein paar Kilometer weiter sah Torsten, wie somaliländische Soldaten das Gelände verminten.
»Wie wollt ihr diese Kerle bekämpfen, wenn ihr euch hinter Minen einsperrt?«, fragte er.
Omar Schmitt lachte kurz auf. »Es gibt Wege durch die Minenfelder, die nur wir kennen. Sollten
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