Todesfee
über den am Boden liegenden Faramund beugte, blickte auf und zog eine Grimasse.
»Ich fürchte, damit wirst du klarkommen müssen, Cara. Du hast zu heftig zugeschlagen.«
|294| EIN DORNIGER PFAD
»Der Junge ist unschuldig.«
Der Oberste Richter von Droim Sorn, Brehon Tuama, schien sich seiner Sache sicher zu sein.
Schwester Fidelma lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte den hochgewachsenen Mann, der ihr vor der Herdstelle gegenübersaß, nachdenklich an. Sie hatte eine dringende Nachricht von Brehon Tuama erhalten, in der er sie bat, in ihrer Eigenschaftals
dálaigh
, Anwältin bei Gericht, in die kleine Stadt Droim Sorn zu kommen. Ein sechzehnjähriger Junge war des Mordes und Diebstahls beschuldigt worden, und Brehon Tuama hatte vorgeschlagen, dass Fidelma seine Verteidigungübernehmen sollte.
Wie es der Brauch verlangte, hatte sie zunächst Odar, den Stammesfürsten, in dessen Haus auch der Junge festgehalten wurde, über ihre Anwesenheit in der Stadt in Kenntnis gesetzt. Odar schien ihrer Ankunft mit gemischten Gefühlen zu begegnen. Dennoch hatte er sie mit einigen formellen Willkommensworten bedacht, ehe er vorgeschlagen hatte, sie solle Brehon Tuama aufsuchen, um mit ihm die Einzelheiten des Falles zu besprechen. Während dieses kurzen Treffens hatte sie bereits festgestellt, dass Odar ein Mensch war, der auf Feinheiten keinen besonderen Wert legte. Ihr war die beeindruckende Sammlung von Jagdwaffen an den Wänden des Hauses aufgefallen |295| sowie die beiden Wolfshunde, die sich vor der Herdstelle räkelten. Hieraus hatte sie geschlossen, dass Odar sich mehr für die Jagd als für das Streben nach Gerechtigkeit interessierte.
Brehon Tuama hatte sie hereingebeten und ihr Erfrischungen angeboten, bevor er ihr seine Sicht des Falls darzulegen begann.
»Willst du damit sagen, dass der Junge gar nicht vor Gericht gestellt wird?«, fragte Fidelma. »Wenn du die Klage gegen ihn bereits abgewiesen hast, warum hast du mich dann rufen lassen …?«
Brehon Tuama schüttelte schnell den Kopf.
»Noch kann ich die Angelegenheit nicht fallenlassen. Odar besteht darauf, dass sich der Junge einem Prozess stellen muss. Es ist so …« Der Brehon zögerte. »Der Ehemann des Opfers ist Odars Vetter.«
Fidelma seufzte leise. Sie konnte Vetternwirtschaft nicht leiden.
»Vielleicht solltest du mir erst einmal den Sachverhalt erklären, soweit er dir bekannt ist.«
Brehon Tuama rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Findach der Schmied hat den Ruf, einer der besten Handwerker der Stadt zu sein. Seine Arbeiten werden allgemein bewundert und zieren Abteien, Häuser von Stammesfürsten und sogar die Festungen von Königen. Dies hat es ihm ermöglicht, so profane Dinge wie das Beschlagen von Pferden oder das Anfertigen von Zaumzeug, Pflügen und Waffen aufzugeben, um sich mehr der künstlerischen Arbeit zu widmen.«
»Das klingt, als ob du die Dinge, die er anfertigt, nicht so schätzt wie die anderen«, unterbrach ihn Fidelma, die einen kritischen Unterton in seiner Stimme bemerkte.
|296| »Tue ich auch nicht«, bestätigte der Brehon. »Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Findach hatte den Auftrag, ein silbernes Kreuz für den Hochaltar der Abtei von Cluain zu schmieden. Er hat es erst vor wenigen Tagen fertiggestellt. Das Kreuz ist sehr wertvoll. Findach hat es poliert und in sein Haus geschafft; dort sollte es von einem der Mönche der Abtei abgeholt werden. Gestern Morgen ging Findach in seine Werkstatt, die etwa eine Meile von seinem Haus entfernt liegt, um mit seinem Tagewerk zu beginnen. Das silberne Kreuz ließ er zu Hause zurück. Seine Frau Muirenn blieb ebenfalls zu Hause.
Am selben Morgen schickte der Abt von Cluain Bruder Caisín zu Findach, um das Kreuz abzuholen. Ich habe Bruder Caisín befragt. Er hat ausgesagt, er sei am frühen Morgen bei Findach eingetroffen. Er bemerkte, dass die Tür des Hauses offen stand, und ging hinein. Muirenn lag mit blutigem Kopf am Boden. Er versuchte ihr zu helfen, doch sie war bereits tot. Anscheinend war sie von einem harten Schlag auf den Kopf getötet worden.
Dann, so sagte Bruder Caisín, habe er im Nebenraum ein Geräusch vernommen und den Jungen, Braon, entdeckt, der sich dort versteckte. An Braons Kleidern war Blut.
In diesem Augenblick kam auch Findach nach Hause zurück und fand Bruder Caisín und Braon neben der Leiche seiner Frau. Sein verzweifelter Aufschrei wurde von einem Vorübergehenden gehört, der, nachdem er festgestellt hatte, was
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