Todesfee
geschehen war, mich als den Brehon von Droim Sorn benachrichtigte.«
Fidelma dachte nach.
»Zu welchem Zeitpunkt hat man bemerkt, dass das silberne Kreuz fehlte?«
Brehon Tuama schien überrascht.
»Woher weißt du, dass das silberne Kreuz weg ist? In meiner |297| Nachricht habe ich dir nicht mitgeteilt, was genau gestohlen wurde.«
Fidelma machte eine ungeduldige Handbewegung.
»Ich denke, du hättest kaum so viel Zeit darauf verwendet, mir von Findachs Auftrag für die Abtei Cluain zu erzählen, wenn er für diese Sache nicht von Belang wäre.«
Brehon Tuama sah betreten drein.
»Was hat der Junge zu all dem gesagt?«, fuhr Fidelma fort. »Ich nehme an, du hast nach seinem Vater geschickt, bevor du ihn befragt hast?«
Brehon Tuama verzog gequält das Gesicht.
»Selbstverständlich. Ich kenne das Gesetz. Da er das Alter der Wahl noch nicht erreicht hat, ist sein Vater vor dem Gesetz für ihn verantwortlich.«
»Der Vater wurde also geholt und der Junge befragt?«, hakte Fidelma ungeduldig nach.
»Der Junge hat ausgesagt, dass Muirenn ihn zu sich gebeten hatte. Er hütetet ab und an die kleine Rinderherde, die sie auf den höher gelegenen Weiden hinter dem Haus hielt. Braon erzählte, die Tür habe offen gestanden, als er eintraf. Er habe Muirenn auf dem Boden liegen sehen und sei zu ihr geeilt, um ihr zu helfen, doch sie sei bereits tot gewesen.«
»Und das Blut auf seiner Kleidung erkläre sich dadurch, dass er sich neben die Leiche gekniet hatte?«
»Genau. Er sagte, er hätte gerade Hilfe holen wollen, als er hörte, wie sich jemand dem Haus näherte. Aus Angst, der Mörder könnte zurückkehren, versteckte er sich im Nebenraum, wo Bruder Caisín ihn fand.«
»Und das ist alles, was du in Erfahrung bringen konntest?«
»Ja. Es sind leider alles nur Indizien. Ich wäre geneigt, die Anklage aus Mangel an Beweisen fallenzulassen. Odar besteht jedoch darauf, dass der Junge vor Gericht gestellt wird. Die |298| Anweisungen eines Fürsten sind schwer zu übergehen«, fügte Brehon Tuama entschuldigend hinzu.
»Was ist mit dem Kreuz?«
Brehon Tuama sah sie verwirrt an.
»Ich meine, wo wurde es gefunden?«, präzisierte Fidelma ihre Frage. »Das hast du mir bisher nicht gesagt.«
Der Brehon verlagerte unruhig sein Gewicht auf dem Stuhl.
»Es ist nach wie vor verschwunden«, gab er zu.
Fidelma machte sich nicht die Mühe, ihre Überraschung zu verbergen.
»Wir haben überall danach gesucht, aber es fehlt jede Spur von ihm«, fuhr Brehon Tuama fort.
»Das entlastet den Jungen doch sicher noch zusätzlich, oder? Wann soll er Zeit gehabt haben, das Kreuz zu verstecken?«
»Odar nimmt an, dass er einen Komplizen hatte. Er verdächtigt den Vater des Jungen. Seiner Meinung nach hatte der Junge das Kreuz gerade an seinen Komplizen weitergereicht, als Bruder Caisín eintraf.«
»Das ist nur eine Vermutung«, meinte Fidelma wegwerfend. »Was mich eher interessiert, ist: Warum scheint euer Fürst so entschlossen zu sein, dem Jungen und seinem Vater beide Taten in die Schuhe zu schieben? Du sagtest, Findach der Schmied, der Ehemann der getöteten Frau, sei sein Vetter. Das genügt mir nicht als Begründung. Ich würde dir darin zustimmen, Tuama, dass sich die gesamte Anklage nur auf Indizien stützt. Wie groß war übrigens dieses Silberkreuz?«
»Das weiß ich nicht. Danach müssen wir Findach fragen. Findach meint, es sei ziemlich wertvoll gewesen. Das Silber allein hatte einen Wert von …«
»Mich interessiert nicht so sehr sein Wert, sondern seine Größe. Ich denke, ein Kreuz für einen Hochaltar muss ziemlich groß sein und daher auch recht schwer?«
|299| »Das ist anzunehmen«, stimmte ihr der Brehon zu.
»Sicherlich zu schwer, als dass ein Junge wie Braon es ganz allein verstecken könnte?«
Brehon Tuama antwortete nicht.
»Du sagtest, Findachs Schmiede sei etwa eine halbe Meile von seinem Haus entfernt. Ist es nicht ungewöhnlich, dass die Werkstatt eines Schmieds und sein Haus so weit auseinanderliegen?«
Brehon Tuama schüttelte den Kopf.
»Findach ist eben sehr vorsichtig. Weißt du, wie leicht ein Funken aus der Esse eine Schmiede in Brand setzen kann?«
»Ich habe schon oft gehört, dass Schmieden so niedergebrannt sind«, musste Fidelma zugeben. »Findach und seine Frau Muirenn wohnten also ein Stück von der Schmiede entfernt. Haben sie Kinder?«
»Nein. Die beiden lebten allein …«
Plötzlich war von draußen Lärm zu vernehmen, und die Tür flog auf. Ein ungepflegt
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