Todesfee
dass es klüger ist, wenn man nicht schwimmen kann, weil man besser gleich ertrinkt, wenn man ins stürmische, gnadenlose Meer fällt, als die Qualen nur zu verlängern und Körper und Seele durch einen aussichtslosen Kampf zu foltern.«
Fidelma musste ein Schaudern unterdrücken.
»Ich habe diese Meinung ebenfalls schon gehört, wenn ich sie auch nicht teile. Ist noch jemand außer dem Apotheker gekommen?«
»Niemand.«
»Weißt du, wie lange Bruder Eolang im Wasser gelegen hatte?«
|89| »Nein. Aber der Apotheker, Bruder Cruinn, meinte …«
Fidelma hob die Hand, sodass er nicht weitersprach.
»Vielleicht sollte ich mir das von Bruder Cruinn anhören?«, meinte sie. »Du kannst nur über das Zeugnis ablegen, was du denkst.«
Bruder Petráns Blick wanderte über Fidelmas Schulter.
»Dann ist jetzt die beste Gelegenheit, mit Bruder Cruinn zu reden. Denn da kommt er.«
Fidelma wandte sich um und sah einen älteren Mann, der durch den Garten auf sie zukam. Er war kräftig gebaut. Unter den hochgerollten Ärmeln seiner Kutte schauten starke, muskulöse Unterarme hervor. Sein Haar war grau, seine Augen tiefblau. Er schien sich zu wundern, dass er eine Nonne im Kräutergarten sah.
Bruder Petrán stellte Fidelma vor, und das Gesicht des Apothekers entspannte sich.
»Ich war derjenige, der bemerkt hat, dass Eolang nicht einfach ertrunken ist, Schwester«, sagte er voller Stolz. »Der arme Eolang. Er hat mir in der Apotheke geholfen, musst du wissen.«
»Vielleicht begleitest du mich zum Steg und erklärst mir unterwegs, was deinen Verdacht erregt hat?«
Sie verließen den Kräutergarten und gingen durch ein kleines Tor in einer hohen Steinmauer, das unmittelbar zum Ufer der Insel führte. Fidelma bemerkte, dass der See an dieser Stelle besonders breit war. Der Steg, der auf hölzernen Pfeilern ruhte, war offensichtlich alt. Einige Planken wirkten morsch und schienen nicht allzu sicher zu sein.
»Der ist aber reparaturbedürftig«, merkte Fidelma an.
»Allerdings. Er wird nur zum Anlanden von Materialien für unseren Garten benutzt. Der Hauptlandesteg ist am Klostertor, wie du sicher bereits bei deiner Ankunft bemerkt hast.«
|90| »War Bruder Eolang aus einem besonderen Grund hier?«
Der Apotheker strich sich nachdenklich übers Kinn.
»Er hatte sich am Morgen mit dem Boot auf den Weg gemacht, um etwas ans Festland zu liefern. Danach hat er das Boot wohl zurückgebracht, damit Bruder Petrán auf den Markt konnte. Bruder Petrán hat Eolangs Geldbörse noch im Boot gefunden.«
»Man hat seine Börse im Boot gefunden?«
»Er hat sie vielleicht vergessen, als er auf den Steg geklettert ist.«
»Ich habe mir sagen lassen, dass Bruder Petrán den Leichnam von Bruder Eolang aus dem Wasser gezogen hat und dass du dann nach seinen Hilferufen zu ihm geeilt bist. Stimmt das?«
»Ich war im Kräutergarten und habe Bruder Petrán rufen hören. Da bin ich gleich zu ihm gelaufen«, bestätigte Bruder Cruinn. »Ich habe sofort gesehen, dass der arme Eolang tot war.«
»Wie lange war er schon tot? Konntest du das erkennen?«
»Ich mache meine Arbeit gut, Schwester«, erklärte der Apotheker voller Stolz, was ihn eine Spur hochmütig erscheinen ließ. »Er war noch nicht lange tot. Aus einer Wunde an der Stirn floss noch Blut. Da begriff ich, dass ein Mord geschehen war.«
»Wegen der Wunde? Wie sah sie aus?«
»Sie war auf der Stirn, genau zwischen den Augen. Es war klar, dass jemand dem Bruder mit einem Knüppel oder einem ähnlichen Gegenstand auf den Kopf geschlagen hatte, sodass er ins Wasser fiel und dort ertrank.«
»Wusstest du, dass Bruder Eolang selbst vorhergesagt hatte, er würde an diesem Tag ermordet werden?«
Bruder Cruinn verneinte entschieden.
»Das habe ich erst hinterher von Bruder Senach gehört.«
»Aber du hast doch mit ihm zusammengearbeitet. Er war dein Gehilfe in der Apotheke. Ist es da nicht seltsam, dass er dir gegenüber seine Vorhersage nicht erwähnt hat?«
|91| »Er kannte meine Ansichten. Ich wusste um Eolangs Ruf als Astrologe. Ich halte nicht viel von Astrologie. Ich bin Pragmatiker, doch selbst in meinem Beruf gibt es viele, die die Astrologie in der Medizin zu Rate ziehen. Aber diesmal hat Eolang wohl recht gehabt.«
»Diesmal?«, fragte Fidelma.
Bruder Cruinn lächelte verächtlich.
»Ich habe oft genug erlebt, dass sich Eolang mit seinen Vorhersagen geirrt hat. Deswegen hat er diese letzte mir gegenüber wahrscheinlich nicht erwähnt.«
Fidelma nickte
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