Todesfessel - Franken-Krimi
Fesselungsart, die absolut exotisch ist und für den Überrumpelungs- und Tötungsakt selbst absolut überflüssig. Er nimmt diese Fesselung erst nach seinen Gewaltausbrüchen vor, am toten oder für tot gehaltenen Opfer. Also in eindeutiger Inszenierungsabsicht. Im Landestheater sucht er sich das Fesselungsmaterial erst am Tatort zusammen; das spricht dafür, dass die Shibari-Idee hier erst spontan entstanden ist. Er kannte Shibari zwar schon vorher, aber die Umsetzung am Opfer war, zumindest im Fall Kim LaYoung, nicht von vornherein geplant. Anders in Schweinfurt, wo er gezielt ein handelsübliches Plastikwäscheseil mit in die Wohnung bringt. Er hat an der Shibari-Geschichte offenbar Gefallen gefunden. In dieser mutmaßlichen Eitelkeit liegt ein wichtiger Ansatz für mögliche proaktive Strategien unsererseits.«
Charly wiegte zweifelnd den Kopf.
»Riskante Sache. Das ist schließlich klassisches Täterwissen. Aber gut, wir behalten das mal im Hinterkopf.«
Er kritzelte »Shibari – proaktiv?« auf das große Whiteboard.
Heym räusperte sich. »Ist nicht auch der Overkill in dieser Form extrem selten?«
»Stimmt. Übertötung haben wir ja normalerweise als maximale Eskalation einer singulären Beziehungstat, aus ganz individuellen, persönlichen Motiven heraus. Hier dagegen, als serielle Erscheinung, das ist absolut ungewöhnlich; ich habe national und international keinen vergleichbaren Fall recherchieren können. Entscheidende Frage für uns: Woher kommt dieser irrsinnige, brutale Hass, wenn es keine Vorgeschichte, keine persönliche Täter-Opfer-Beziehung gibt?«
Stille im Raum.
»Wahrscheinlich wird umgekehrt ein Schuh daraus«, sagte Tom langsam. »Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass es eben doch irgendeine persönliche Vorgeschichte mit Kim und Tanja gegeben hat.«
»Und genau da müssen wir noch viel tiefer graben«, forderte Charly. »Freundes- und Bekanntenkreis von Kim und Tanja abgleichen, ihre Terminkalender durchforsten, Handyauswertung läuft sowieso schon. Dann – was machen wir in Richtung Travestieszene?«
»Stopp, da hab ich was für euch«, sagte Barbara. »Stichwort: Zwitter, Transvestit et cetera. Damit ihr überhaupt wisst, wovon ihr redet.« Sie verteilte einen Stoß DIN-A 4-Kopien:
Geschlechtsidentitätsstörungen (stark vereinfachte Darstellung):
Transsexualität: Jemand gehört körperlich eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht an. Er/Sie empfindet sich jedoch als Angehöriger des anderen Geschlechts und will sich diesem auch physisch so gut wie möglich annähern.
Intersexualität: »Zwitter«, Hermaphrodit.
Transvestitismus: Bekleidung des anderen Geschlechts wird getragen. Kommt ebenso bei hetero- wie bei homosexuellen Männern und Frauen vor.
Travestie: Kunstform des Transvestitismus auf der Bühne.
Transvestitischer Fetischismus: sexueller Fetischismus, bei dem das Tragen von Bekleidung des anderen Geschlechts der eigenen sexuellen Erregung dient.
Crossdressing: allgemeiner Begriff für das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts, völlig unabhängig vom Motiv.
Drag-Queen/-King: optisch extreme Form des Crossdressings.
Damenwäscheträger (»DWT«): Männer, die unter ihrer normalen Kleidung heimlich weibliche Unterwäsche tragen, meist zur sexuellen Stimulation.
»Schaut’s euch des bitte ganz genau an. Is für a SOKO wie uns einfach peinlich, wenn wir nach diesem ganz speziellen Täter fahnden, aber vielleicht ned amal Zwitter und Transvestit auseinanderhalten können.«
»Sehr gut, Barbara, danke!«
»Okay«, gähnte Tom, »und was passiert jetzt mit unserem Freund Djukic?«
»Den knöpfe ich mir jetzt als Nächsten vor.«
10:54 Uhr – Kripo Bamberg, Schildstraße
Das handsignierte Mannschaftsposter hinter dem Schreibtisch ließ keinen Zweifel aufkommen: KHK Wolfgang Lauer, grau melierter Turnschuhträger, war Dauerkartenbesitzer und echter Basketball-Insider.
»Djukic? Das wär der absolute Hammer, Charly!«
Fassungslos blies er die Backen auf und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Unser bester Mann heuer! Treibt uns zwar regelmäßig die ersten Minuten in den Wahnsinn, aber ab dem dritten Viertel ist er nicht mehr aufzuhalten. Du hättest ihn letzte Woche gegen ALBA Berlin erleben müssen, der dreht das Spiel ganz allein mit …«
»Reicht scho, Wolfi, reicht scho! Also zwischen Genie und Wahnsinn pendelnd, das ist doch genau der Grenzgänger, den wir suchen!«
Lauer schüttelte wieder den Kopf. »Nicht auszudenken! Und
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