Todesfessel - Franken-Krimi
eingewachsen, ein alter Pavillon, massiv aus Sandstein und Klinker erbaut. Charly erkannte es sofort wieder, »das alte Waschhaus«, wie es die Großmutter seines damaligen Schlagzeugers immer genannt hatte. Sie war dann im September 1978 an der Kaufhof-Kreuzung überfahren worden, der Traum vom eigenen Übungsraum war über Nacht geplatzt. Kurz darauf hatte sich die Band aufgelöst …
Charly schlich näher heran. Die alten Fensterläden hingen schief in den Angeln und schlossen nicht mehr richtig. Die Scheiben, seit Jahrzehnten nicht mehr geputzt, waren offensichtlich von innen verhängt. Kein Lichtschein drang heraus.
Genug Platz wäre drin, um jemanden gefangen zu halten, dachte Charly. Allerdings nicht über einen längeren Zeitraum. Kein Klo, kein Wasser, hier kann er keine regelmäßige Versorgung organisieren, ohne dass es auffällt. Natascha Kampusch zwo ist hier nicht machbar …
Ein Blitz schlug ein in seinen Hinterkopf.
Lautlos stürzte Charly ins Dunkel.
Dienstag
09:10 Uhr – SOKO Franken
»Verflucht noch mal, wo bleibt denn Charly heute?« Löhlein streckte schon zum vierten Mal den Kopf zur Tür herein. »Stein sitzt schon seit zehn Minuten beim Chef, und unser Super-Cop lässt sich einfach nicht blicken!«
»Ich probier’s seit einer halben Stunde, Heinz-Uwe!« Heym hielt sein Handy hoch. »Zu Hause geht er nicht ran, auf Handy nur AB !«
»Do kann was ned pass’n, des is do gar ned sei Art, oder?« Barbara warf ihren Stift hin und runzelte besorgt die Stirn. »Wos hod er denn heit im Terminkalender steh’n?«
»Nix weiter, hab grad nachg’schaut. Neunnull Lage, zehn bis zwölf Vorbereitung PK , vierzehnnull PK . Ganz normal alles.« Nachdenklich griff Schnauzer zu seinem Schnurrbartkämmchen und durchpflügte damit seinen Tom Selleck.
Löhlein hämmerte mit der Faust seitlich gegen den Türrahmen.
»Und Tom kommt auch erst heute Mittag wieder … da passt ja wieder alles! Nee, Kollegen, so was geht einfach nicht, Charly wächst die ganze Sache eindeutig über den Kopf!« Er winkte Antlkofer zu sich heran. »Barbara, da müssen wir zwei jetzt improvisieren: Komm mit rüber, nimm deine Unterlagen mit!«
* * *
»Nein, Chef! Auch seine Schwester in Weißenburg weiß nicht, wo er steckt!« Selbst Schnauzer war jetzt unüberhörbar nervös. »Hetz und Ötter waren eben am Ölberg an seiner Wohnungstür. Keiner zu Hause. Auch sein Alfa steht nicht dort.«
Ritter blickte wieder auf seine breite Fliegeruhr. »Erstens sofort zur Fahndung ausschreiben«, entschied er. »Als gestohlen. Der Wagen ist ja auffällig genug. Zweitens neue Informationen sofort, ich wiederhole, so-fort, an mich! Drittens Scherzer zurückrufen – bis dahin übernimmt Kollege Löhlein die SOKO -Leitung!«
»Und die PK heute Mittag?«, fragte Moser.
»Findet natürlich statt. Die Medienvertreter sind eingeladen, und auch ein SOKO -Leiter kann mal kurzfristig ausfallen. Bitte um elf zur Vorbesprechung bei mir«, er zeigte in die Runde, »Kollegin Antlkofer, Kollege Löhlein und Kollege Moser. Kollege Scherzer sowieso. Alles klar so weit? Bis dann!«
Energischen Schrittes verließ er den Raum, um in der Tür abrupt stehen zu bleiben und sich noch einmal umzudrehen.
»Eins fällt mir da noch ein: Wie steht’s mit seinem Exkollegen Bernie Winter? Haben die beiden nicht noch ab und zu Kontakt? Vielleicht weiß er was, rufen Sie doch den Se CO rity-Schlawiner gleich mal an!«
* * *
Sphärische Klänge drangen an Charlys Ohr, Geklimper wie aus weiter Ferne, seltsam schwebend über Sturm und Regen; ein Mann, der merkwürdig unbeteiligt zu singen begann … ist das nicht Jim Morrison … 68 oder so … die Doors … auf » L.A. Woman« ?
Die Spiralnebel tief in seinen Hirnwindungen begannen sich zu lichten, langsam und schmerzhaft begann er zu erwachen – oder glitt er gerade erst hinüber in einen unsagbar grässlichen Alptraum?
Er saß in einem dunklen Kämmerchen auf dem kalten Fußboden – und war gefesselt! Im Sitzen gefesselt, die Arme mit Handschellen hinter einem Stützbalken zusammengeführt. Schmerzhaft schnitten die Holzkanten in seine Unterarme ein. Doch noch viel unangenehmer war die würgende Kälte an seinem Hals – eine Kette, es mussten schmiedeeiserne Kettenglieder sein, die seinen Hals an den Pfosten zogen und ihm kaum noch Luft zum Atmen ließen …
Und plötzlich, im Gegenlicht des Nebenraums, ein unheimliches, gespenstisches Bild: eine große Frau in riesigen Pumps, dunklem Rock und
Weitere Kostenlose Bücher