Todesfeuer
beide Hände frei haben musste. Die Freisprechanlage, die ich hatte einbauen lassen, begeistert Milo, weil er sich zurücklehnen und rauchen, schnauben, sich recken und gleichzeitig die Straße nach Übeltätern absuchen kann, während er plaudert.
Als ich mich der Lincoln Avenue näherte, tippte er Nummern ein. In Sheryl Passants Apartment nahm niemand ab, aber bei Bettina Sanfelices Festnetzanschluss in North Hollywood meldete sich eine nuschelnde Frau. »Yeah.«
»Sind Sie Bettina?«
»Nein.«
»Wohnt Bettina dort?«
»Wer’s dran?«
»Lieutenant Milo Sturgis von der Polizei von L.A.«
»Wer?«
Er wiederholte es und bemühte sich, langsam zu sprechen. »Polizei?«
»Ja, Ma’am.«
»Is mit Tina alles in Ordnung?«
»Ich muss mit ihr wegen eines Falles reden.«
»Ein Fall? Was für ein Fall?«
»Jemand, mit dem sie gearbeitet hat, wurde ermordet.«
»Wer?«
»Desmond Backer.«
»Kenn ich nicht.«
»Ma’am -«
»Ich bin ihre Mutter. Sie is ausgegangen.«
»Könnten Sie mir sagen, wo sie ist?«
»Woher soll ich wissen, ob Sie nicht irgendein Irrer sind?«
»Ich gebe Ihnen meine Nummer im Polizeirevier, dann können Sie es überprüfen.«
»Woher soll ich wissen, ob Sie mir nicht irgend ‘ne falsche Nummer geben?«
»Schlagen Sie einfach nach. West L.A. Division, an der Buder -«
»Diese Mühe soll ich mir machen?«
»Ma’am«, sagte Milo, »ich habe Verständnis dafür, dass Sie vorsichtig sind, aber ich muss mit Bettina sprechen.« Schweigen. »Mrs. Sanfelice -«
»Sie is ins T.G.I. Friday’s gegangen.«
»In welches?«
»Drüben in Woodland Hills, ich weiß die Adresse nicht. Sie mag die Burger. Sie werden nie erleben, dass ich dafür Benzin verschwende.«
»Was hat sie an?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Wohnt sie nicht bei Ihnen?«
»Selbstverständlich, weil sie immer noch keinen Job hat. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich auf ihre Kleidung achte.«
Klick.
Er rief Detective Moe Reed an und erkundigte sich nach den Eintragungen der Praktikantin bei der Kfz-Zulassungsstelle.
»Ich wollte Sie grade anrufen, Lieutenant«, sagte der junge Cop. »Wir haben die Fingerabdrücke von Backer und der Frau über AFIS laufen lassen, aber leider hat sich nichts ergeben…«
»Das wusste ich schon.«
»Aha?«
»Es war so ein Tag.« Er buchstabierte Sanfelices Namen.
Kurz darauf sagte Reed: »Sanfelice, Bettina Morgana, dreißig Jahre alt, eins fünfundsechzig groß, fünfzig Kilo schwer, braune Haare, braune Augen, trägt eine die Sehschwäche ausgleichende Brille. Hier ist ihre Adresse.«
Sie wohnte bei Mama, als sie vor drei Jahren ihren Führerschein verlängern ließ.
»Sonst noch was, Lieutenant?«
»Ich sag Ihnen Bescheid.«
Milo beendet das Gespräch. »Wenn ich Praktikantin höre, denke ich automatisch an eine Studentin. Bettina ist weit über dieses Alter und arbeitslos, außerdem kommt sie nicht von dem liebenden Muttertier weg. Emotionale Empfänglichkeit, wie du gesagt hast. Der olle Des hatte ein Höllennäschen.«
Auf dem Freeway 101 staute sich der erste Verkehr, deshalb nahm ich den Ventura Boulevard nach Woodland Hills. Das T.G.I. Friday’s war genau wie alle anderen, und genau darauf kam es an.
Kettenrestaurants sind für Gourmets mit einem Spesenkonto, Dokumentarfilmer, die von Fördermitteln leben, und Treuhandfondsbabys eine leichte Zielscheibe des Spotts. Für Leute, die aufs Geld achten und in einer Welt zurechtkommen müssen, die zusehends unberechenbarer wird, sind sie Tempel des Trostes. Milo und ich waren im Mittelwesten aufgewachsen, und wir beide hatten auf der Highschool Burger gebraten. Der Grillgeruch weckt immer noch alle möglichen Erinnerungen in mir. Wie ich darauf reagiere, hängt davon ab, was sonst gerade in meinem Leben los ist.
Heute war der Duft ziemlich gut.
Milo atmete tief ein. »Köstlicher Speck.«
Der Innenraum des T.G.I. Friday’s war weitläufig und wie alle anderen Burgerschuppen - typische Eichenoptik, Spiegel von der Schablone, Lampen, die nicht einmal annähernd nach Tiffany aussahen, und Servicepersonal in roten Hemden, das größtenteils herumhing, weil um drei Uhr nachmittags nicht viel los war.
Eine Bar, die groß genug war, um das halbe San Fernando Valley abzufüllen, zog sich durch das ganze Lokal. Durch die Raumaufteilung hatte man jeden Gast mühelos im Blick: etliche Trucker mit müden Augen, die keine Ahnung hatten, wie spät es war, eine Mama und Oma, die sich gemeinsam um ein flennendes Balg in
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