Todesfeuer
blauen Schlips und eine Anstecknadel mit der amerikanischen Flagge am Revers. Vier Kartons mit Beweismitteln waren auf einem fahrbaren Gepäckständer gestapelt. Nguyen hielt sich kerzengerade, aber er hatte kleine Augen.
»John, was gibt’s?«
Nguyen öffnete den obersten Karton, holte einen Packen Ausdrucke heraus und ließ ihn auf Milos Schreibtisch fallen. »Die Finanzen von Mr. und Mrs. Holman. Sie schulden mir was.«
Milo überflog das oberste Blatt. »Wie haben Sie das geschafft?«
»Ich sitze seit drei Tagen in einem Prozess gegen eine Räuberbande. Die Richterin ist neu und geradezu aberwitzig zu unseren Gunsten voreingenommen, daher dachte ich mir, sie lässt sich vielleicht auf Ihre Scheinlogik ein.«
Nguyen leckte einen Finger an, stieß ihn senkrecht in die Luft. »Punkt eins, die Richterin hat einen meiner eifrigen neuen Praktikanten damit betraut, bei den Banken alles durchzudrücken. Wofür, wie ich klarstellen möchte, normalerweise Sie zuständig sind, nicht ich, ganz zu schweigen davon, dass dieser Job deutlich unter meiner Besoldungsstufe liegt. Aber Sie haben sich Zeit für den Prozess wegen der Marschmorde genommen, also betrachten Sie es als ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk.«
Milo blätterte weiter. »Ihre Sockenfüllung ist schon unterwegs, John… ich sehe nichts Interessantes.«
»Weil es nichts gibt«, sagte Nguyen. »Er ist Professor im Ruhestand, sie eine nicht gerade berühmte Architektin. Ihr Einkommen, die Ausgaben, die Altersversorgung et cetera entsprechen einem zurückhaltenden, bewussten Lebensstil. Was soviel heißt, wie dass sie ihr Haus wahrscheinlich halten und sich weiter eine Krankenversicherung leisten können, wenn sie nicht wirklich krank werden oder zu oft essen gehen.«
»Ist das tatsächlich alles, John?«
»Was denn, meinen Sie, die beiden haben ein geheimes Bankkonto, von dem sie Killer bezahlen? Ihre Mittel sind wahrscheinlich knapper als die meiner Frau - egal.« Nguyen ging zur Tür. »Ich kann eine Richterin dazu bewegen, eine Vollmacht auszustellen, Mann, aber ich kann den Gestank nicht abstellen.«
Wir liefen die zwei Blocks zum Cafe Moghul, dem indischen Restaurant, das Milo als Ausweichbüro dient. Er gibt reichlich Trinkgeld, ist unglaublich verfressen, und die Inhaber sind davon überzeugt, dass er mit seinem Auftreten, das an eine grantige Dogge erinnert, Gefahren abwendet. Die Frau mit der Brille, die dort bedient, strahlt immer, wenn er durch die Tür kommt, und türmt bereits Essensberge vor ihm auf, noch ehe sein Stuhl warm geworden ist.
Heute Abend gab es Lamm, Rindfleisch, Truthahn, Hummer, dreierlei Sorten Naan und einen ganzen Gemüsegarten.
Milo haute rein, als nehme er ein riesiges kulinarisches Puzzle in Angriff.
»Ein Hoch auf den Sultan von West L.A.«, sagte ich.
Er wischte sich Soße vom Gesicht. »Bring die Geographie nicht durcheinander, Rajah. Wenigstens für einen kurzen Aschenbrödelmoment.«
»Dann taucht der Prinz auf.«
»Und wir sind wieder Unberührbare.«
Als wir bei unserer vierten Schale mit süßem för-Reispudding waren, kam Sean Binchy herein, so strahlend und fröhlich wie immer.
»Bringen Sie mir ein paar gute Nachrichten, mein Junge, dann dürfen Sie was essen.«
»Nein danke, Lieutenant. Becky kocht heute Abend, und da gibt’s immer was Leckeres. Außerdem habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht. Ich habe eine Menge Namen von Bauarbeitern, aber keinen Monte oder irgendwas Ähnliches.«
»Und wie lautet die gute Nachricht?«
»Ich werde sie sehr sorgfältig überprüfen.« Er sprach im Brustton der Überzeugung. »Das ist großartig, Sean.«
»Zunächst mal alles mit einem M«, sagte Binchy, »und wenn das nichts bringt, checke ich einfach jeden Namen mit den Strafakten gegen. Wie Sie immer sagen, der Igel schlägt den Hasen.«
Er ging.
»Manchmal wird der Igel mitten auf der Straße von einem Neunachser zermatscht«, sagte Milo. »Aber klar, mein Junge, bewahr dir nur deinen Glauben.«
Er rief mich am nächsten Morgen um acht an. »Schwester Ricki will in einer Stunde in meinem Büro sein.«
»Ich komme.«
»Oh, und dann könnte es dich möglicherweise interessieren, dass es diese Doreen Fredd tatsächlich gibt. Ich habe letzte Nacht die Genealogie-Sites durchsucht, bin auf einen entfernten Cousin gestoßen, der in Nebraska lebt, und habe ihm das Foto gemailt. Die Familie hat Doreen seit Jahren nicht mehr gesehen, hat aber bestätigt, dass sie als Teenager nach Seattie
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