Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
Vom Netzwerk:
sitzen im Schatten auf der Terrasse und ahnen nichts. Nicht das Geringste. Der Bus hält an, sabbernde Fratzen hinter den Scheiben. Sie steigt aus. Als Einzige. Der Bus fährt, keiner hat ihn gesehen. Sie kommt in ihrem kurzen, weiß-rosa geringelten T-Shirt-Kleid über die Straße auf ihn zu. Er muss ihren Namen gar nicht laut rufen. Sie sieht das Auto, sie sieht ihn und fängt an zu lachen. Grinst über ihr ganzes blödes Gesicht. Hüpft fast zu ihm hinüber. Er gibt sich noch mehr Mühe, sie freundlich anzuschauen.
    »Hast du Lust auf einen Ausflug?« Sie nickt. Grinst, schiebt die Brille auf dem Nasenrücken hoch, streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Steig ein, ich hab deiner Mutter schon Bescheid gesagt.« Sie legt ihren rosa Schulranzen mit der Barbieabbildung darauf auf den Rücksitz.
    »Fein«, sie klatscht in die Hände.
    »Wir holen Annika ab und machen uns einen schönen Tag, ja?«
    »Fein«, wiederholt sie und gleitet auf den Sitz neben ihm. Es ist das erste Mal, dass sie vorne sitzen darf. Er sieht genau, wie stolz sie ist.
    Die letzten Wortbeiträge zogen sich wie eine ganze Großpackung Kaugummi. Die Kirchturmglocke läutete Viertel nach drei, als sich die Versammlung endlich auflöste. Ich rannte beinahe zu meinem Fahrrad und machte mich auf den Weg nach Daglfing. Obwohl ich so schnell fuhr wie selten, schien die Entfernung mit jedem Kilometer zuzunehmen. Endlich kam ich keuchend vor dem hellrosa-gelben Wohnhaus an, fuhr schwungvoll in den Hinterhof und lehnte mein Fahrrad an eine der nackten Wäschespinnen. Ich stolperte beinahe die Treppe zu seiner Hintertür hinunter, pochte heftig. Alles blieb ruhig. Ich presste das Ohr an die Tür – war da nicht so etwas wie ein Wimmern zu hören? Ich klopfte noch einmal, sah mich um. Der platte Hinterreifen seines limettengrünen Fahrrads versperrte fast das Souterrainfenster. Ich lief hinüber und versuchte, durch den Vorhang hindurch etwas zu erkennen. Ich sah nur eine kleine Ecke des Schreibtischs und ein kleines bisschen grauen Fußboden. Das Grau schien gesprenkelt. Von Rot. Ich hielt die Luft an. Rote Spritzer – eindeutig. Das war … Blut! Ich klopfte an die Fensterscheibe. »David«, rief ich. Das Wimmern, das ich gerade schon zu hören geglaubt hatte, verstärkte sich. Keine Frage – da war jemand im Zimmer. Im Zimmer mit den Blutflecken. Ich griff mit der Hand durch das gekippte Fenster – wie gut, dass ich den Trick schon kannte – und fummelte am Griff herum. Laute Trommelrythmen ließen mich zusammenfahren. Scheiße, gerade jetzt konnte ich einen Anruf nicht gebrauchen. Ich zog die Hand zurück und schielte aufs Display. Eine Nummer, die mit 040 begann. Das konnte nur Davids Schwester sein.
    »Luisa?«, fragte ich leise.
    »Hi«, sagte sie und ihre Stimme klang mädchenhaft. »Hast du Zeit zum Reden?«
    »Nee, ist gerade ganz schlecht«, sagte ich und ergänzte in Gedanken: Dein Bruder liegt in seiner blutbesudelten Wohnung und wimmert … Stattdessen bot ich ihr nur an, später zurückzurufen. Sie war einverstanden und ich hängte ein.
    Das Fenster machte den Eindruck, dass es gleich völlig aus der Angel brechen würde, und so beeilte ich mich mit dem Einsteigen, drückte es zurück in den Rahmen und schloss es. Dann erst wandte ich mich dem Raum zu.
    Ich musste einige Sekunden völlig starr verharren, bis ich an sein Bett stürzen konnte. Es war das Bild eines modernen Märtyrers, das sich mir darbot. Auf dem weißen Laken lag David, nur mit einer Unterhose bekleidet. Seine Handgelenke und Füße waren mit Kabelbindern am Bettrahmen befestigt. Sein Mund mit silbrigem Tapeband zugeklebt, die Haare hingen ihm verschwitzt ins hochrote Gesicht. Seine Brust, sein Bauch waren voller Blut. Das Zimmer war komplett auseinandergenommen. Fast ausnahmslos der gesamte Inhalt der Schränke und Regale war auf dem Fußboden verstreut.
    »Verdammt«, zischte ich ohne Unterlass. »Verdammt, verdammt, verdammt!« Ich rannte zur Küchenzeile, fand ein Messer und löste mit viel Mühen die Kabelbinder. Erschöpft krümmte er sich zusammen. Mit einem raschen Ruck riss ich das Tape von seinem Mund, er schrie kurz auf, fuhr sich über die Lippen und stammelte dann kehlig: »Durst!« Ich rannte wieder in die Küchenzeile, füllte ein Bierglas mit kaltem Wasser, machte ein Handtuch feucht und ging zu ihm zurück. Mühsam setzte er sich auf, lehnte sich an das Betthaupt und stürzte gierig das Glas Wasser herunter.
    »Mehr«, konnte er nur sagen und seine

Weitere Kostenlose Bücher