Todesflut: Thriller
diesen Koordinaten?« Er las die Länge und Breite des Erdbebenepizentrums vor.
»Das nächste GEOS -Bild stammt von 19:00 Uhr«, sagte sie. »Aber es könnte sein, dass es Ihnen nichts nützt. Ich weiß nicht, ob die Auflösung ausreicht, um einen solchen Aufschlag zu sehen. Außerdem geht in dem Gebiet gerade ein Gewitter nieder. Es könnte den Aufschlag verdecken.«
Gail Wentworths bedächtige Art spannte Kai auf die Folter.
»Es bleiben uns noch dreiundfünfzig Minuten, bis die Welle hier eintrifft«, sagte er ungeduldig. »Für Big Island bleibt noch weniger Zeit. Gibt es andere Möglichkeiten? Was ist mit dem Space Shuttle?«
»Derzeit ist nur Discovery oben, angedockt an die Raumstation. Sie befinden sich gerade über Ägypten. Sie wissen es ja selbst, das fragliche Gebiet ist Hunderte von Kilometern von der nächsten bewohnten Insel entfernt. Möglicherweise war ein den Pol umkreisender Satellit heute Morgen über der Region, aber ich brauche eine Weile, bis ich das überprüft habe und Ihnen die Bilder schicken kann, sofern wir welche haben.«
»Bitte, informieren Sie mich, sobald Sie eine Bestätigung haben. Jede Minute zählt.«
»Ich tue mein Bestes.«
Kai dankte Gail Wentworth und gab ihr die E-Mail-Adresse für die Bilder. Als Kai den Hörer auflegte, winkte Reggie ihn zu sich an den Bildschirm.
»Die Daten der Messboje treffen gerade ein.«
Kai beugte sich zu Reggies Terminal und erklärte Brad, was sie sahen.
»Diese Kurve zeigt die Verschiebung des Meeresspiegels im Verhältnis zur Zeit. Wenn die Kurve ansteigt, steigt der Meeresspiegel an.«
»Wie kann die Boje bei den vielen regulären Wellen, die an ihr vorbeiziehen, eine Veränderung des Meeresspiegels feststellen?«
»Die Boje selbst ist bloß ein Sender. Die Messgeräte befinden sich auf dem Meeresboden. Sie stellen Veränderungen im Druck des Wassers fest. Dann werden die Messungen über ein akustisches Modem an die Boje geschickt, von der aus eine Verbindung zu einem Kommunikationssatelliten besteht. Die vom Wind hervorgerufenen Wellen sind nicht groß genug, um sich auf den Drucksensor auszuwirken, deshalb reagiert er normalerweise nur auf die vom Mond ausgelösten Gezeiten.«
Kai zeigte auf ein altes Diagramm, auf dem das tägliche Auf und Ab des Meeresspiegels zu sehen war. »Zieht jedoch ein Tsunami darüber hinweg, ist die gesamte Wassersäule von der Oberfläche bis zum Meeresboden betroffen.«
»Schau dir das mal an«, sagte Reggie nun ehrfurchtsvoll.
Die Kurve stieg bereits an. Kai hielt den Atem an. Er hoffte inständig, dass sie klein und nur ein kurzes Phänomen blieb. Aber die Linie stieg unerbittlich weiter, von der rasenden Welle vorwärtsgetrieben. In zwei Minuten hatte sie eine Höhe von fünfundsechzig Zentimetern über Normalnull erreicht.
»Ich schätze, nun haben wir Gewissheit«, sagte Reggie.
»Fünfundsechzig Zentimeter?«, frohlockte Brad. »Aber das ist doch großartig! Weniger als drei Fuß!« Seine Begeisterung erlosch, als er Reggies Gesicht sah.
Kai lehnte sich zurück. Er hatte sich wieder gefasst. »Auf dem offenen Meer hat die Welle die ganze Strecke bis zum Meeresboden zur Verfügung. Wenn es aber flacher wird, verlangsamt sie sich und baut Höhe auf. Wie hoch sie an Land wird, hängt vom Auflauffaktor an der jeweiligen Küste ab. Multipliziere den Auflauffaktor mit der Wellenhöhe auf dem offenen Meer, und du hast die Höhe der Welle an Land.«
»Der Auflauffaktor für Honolulu beträgt vierzig«, sagte Reggie.
Brad rechnete rasch. »Das sind fünfundzwanzig Meter. Fünfundsiebzig Fuß. Wenigstens ist sie keine zweihundert Fuß hoch.«
Kai schüttelte wieder den Kopf. »Eine fünfundzwanzig Meter hohe Welle ist riesig. Außerdem ist das ja nur die erste Welle. Es können aber noch mehr kommen – vielleicht zwei oder drei.«
»Die Computermodelle aus Los Alamos gehen davon aus, dass die erste Welle die größte ist«, sagte Reggie. »Da wir es aber mit einem Naturereignis zu tun haben, das noch nie beobachtet wurde, könnte es auch anders sein. Wir werden es erst wissen, wenn wir die nächsten Bojenmessungen erhalten. Wir haben auf jeden Fall eine Bestätigung, auch ohne die Fotos von der NASA.«
Kai nickte. »Brad, rufe Brian Renfro an, und stelle eine Konferenzschaltung mit Harry, George und Mary her.«
Sekunden später waren sie alle verbunden, und noch jemand war dabei, mit dem Kai nicht gerechnet hatte.
»Kai, nachdem du mir deine Vermutung vorgetragen hattest, habe ich
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