Todesflut: Thriller
fünfzehn Minuten zu Fuß, bis man in einer sicheren Zone ist. Das heißt, du hast nur noch dreißig Minuten, um alle zu evakuieren.«
»Das reicht nicht …«
»Rachel, dem Tsunami ist das völlig egal. Er wird hier eintreffen, und wer dann noch im Hotel ist, hat sein Leben verspielt.«
Am anderen Ende herrschte Stille. Rachel versuchte die Tatsachen zu akzeptieren.
»Okay, wo sollen die Leute hingehen?«, fragte sie schließlich.
»Sie sollten eine der westlichen Brücken hinter Waikiki überqueren und bergauf gehen, bis sie nicht mehr weiterkommen. Das Allerbeste wäre, sie würden es bis zur Punchbowl schaffen oder in die Wohnviertel am Hang. Wenn sie dort nicht sicher sind, weiß ich nicht, wo sie sicher sein könnten.«
Der Nationale Gedenkfriedhof mit seinen endlosen Reihen von Soldatengräbern im Krater eines erloschenen Vulkans war bei der Bevölkerung als Punchbowl bekannt. Seine Wände ragten über hundert Meter in die Höhe.
»Was ist mit Lani? Und mit Teresa und Mia?«
»Ich habe keine Nachricht von ihnen. Sie haben sicher die Sirenen gehört und sind schon auf dem Weg in die Berge.«
»Warum haben sie sich nicht gemeldet?«
»Die Verbindungen sind völlig überlastet. Ich hatte Glück, dass ich überhaupt zu dir durchgekommen bin. Außerdem ist Teresas Akku leer. Sie will vermutlich nicht stehen bleiben und uns von einem Festnetzapparat aus anrufen, bis sie in Sicherheit sind. Und das ist richtig.«
»Okay. Melde dich, wenn du etwas von ihnen hörst. Ich sollte mich an die Arbeit machen. Ich muss eine Menge Leute evakuieren.«
»Rachel, versprich mir, dass du das Hotel in dreißig Minuten verlässt.«
»Ich verspreche dir, dass ich gehe, sobald alle weg sind.«
»Wenn du nicht vor dem Eintreffen der ersten Welle gehst, steckst du in dem Hotel fest. Zwischen den Wellen kannst du dich nicht in Sicherheit bringen. Sie sind zu groß.«
»Ich habe dich verstanden, Kai, aber ich bin für diese Menschen verantwortlich. Ich muss meine Arbeit tun.«
»Ich weiß. Geh und leg los. Und, Honey, ich liebe dich.«
»Ich dich auch«, sagte Rachel. »Wir sehen uns, wenn die Sache vorbei ist.«
Sie legte auf. Kai blickte versonnen auf den Hörer in seiner Hand und hoffte, dass seine Frau verdammt noch mal recht hatte.
Rachel griff sofort nach ihrem Walkie-Talkie.
»Max, melden.«
»Hier Max. Rachel, siehst du fern?«
»Nein, ich bin im Ballsaal.«
»Es wurde eine neue Tsunami-Warnung ausgegeben. Aber jetzt heißt es …«
»Die Welle wird ein ganzes Stück höher sein, und wir sollen das Hotel evakuieren.«
»Du siehst also doch fern.«
»Egal. Wir müssen evakuieren.«
»Es war schwierig, die Leute zu überreden, wieder auf ihre Zimmer zu gehen. Hier in der Lobby ist der Teufel los.«
»Ich weiß. Hast du die Leute mit Zimmern im ersten, zweiten und dritten Stock in den Wailea-Ballsaal geschickt?«
»So lautet die Vorschrift.«
»Alles hat sich geändert. Geh zu ihnen und fordere sie auf, das Hotel zu verlassen. Sie sollen die Kalakaua Avenue hinaufgehen und von dort die Manoa Road nach Woodlawn nehmen.«
»Woodlawn? Das liegt mindestens fünf Kilometer weit weg.«
»Ich weiß. Es könnte gerade reichen.«
»Machst du einen Witz?«
Rachel fragte sich, wie viele Leute ihr heute noch diese Frage stellen würden.
»Ich mache keinen Witz. Mach dich an die Arbeit.«
»Okay. Aber wie überzeuge ich die Gäste? Einige wollten wissen, von wo aus man den Tsunami am besten sieht.« Max machte eine Pause. »Was hältst du davon, wenn wir den Feueralarm auslösen?«
»Daran habe ich auch schon gedacht, aber es könnte die Leute noch mehr durcheinanderbringen. Sie könnten denken, es sei ein Tsunami-Alarm und bleiben, wo sie sind.«
»Was ist mit den Leuten, die sich bereits in ihren Zimmern aufhalten?«
»Sag erst dem Personal Bescheid, dass das Hotel geräumt werden muss. Wenn du die Leute im Wailea-Ballsaal benachrichtigt hast, zieh so viel Personal wie du kannst aus der Rezeption ab, und geht von Zimmer zu Zimmer, damit alle unsere Gäste auch wirklich wissen, dass sie das Hotel verlassen müssen.«
»Und wenn sie sich weigern?«
»Zwingen können wir sie nicht. Sorge aber dafür, dass sie wirklich verstehen, wie gefährlich die Lage ist. Mein Mann arbeitet im Tsunami-Warnzentrum. Er schickt uns in die Hügel, also folgen wir seinen Anweisungen, verdammt noch mal.«
»Und was ist mit dir?«
»Im Kamehameha-Ballsaal halten sich fünfhundert Gäste auf. Ich gehe erst, wenn sie fort
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