Todesflut: Thriller
ankommen.«
Kai hatte die Entscheidung, seinen Posten zu verlassen, sehr schnell gefällt, das hieß allerdings nicht, dass er es leichten Herzens tat. Seine Pflichten nahm er überaus ernst, aber seine Tochter würde bei ihm letztlich immer an erster Stelle kommen.
»Du wirst also auf diesen Feuerstuhl steigen!« Reggie schüttelte den Kopf. »Du bist tatsächlich lebensmüde.«
»Vielleicht.«
»Wir könnten jemanden anrufen …«
Kai fiel ihm ins Wort. »Nein. Die Leitungen sind überlastet. Bis wir jemanden finden und überredet haben, sie zu suchen, ist es zu spät. Das Risiko gehe ich nicht ein.«
»Ich kann doch auch alleine fahren, und du bleibst bei Reggie«, erbot sich Brad.
»Das wird nicht klappen. Ich habe keine Zeit, euch zu erklären, warum nicht. Wir müssen beide fahren.«
Reggie nickte zustimmend. »Das würde ich an deiner Stelle auch tun. Was ist mit den Tsunami-Daten? Wie steht es mit den Warnungen, die wir an die anderen Pazifikinseln absetzen müssen? Wir wissen noch immer nicht sicher, wie viele Wellen kommen.«
»Das lasse ich in guten Händen zurück. Von jetzt an bist du zuständig.«
»Ich?« Reggie schüttelte den Kopf, die Augen aufgerissen bei dem Gedanken an seine Verantwortung. Sein Gesicht war um zwei Nuancen blasser als zuvor. »Aber ich will nicht …«
»Hör zu. Ich weiß, dass ich dich in einer kritischen Phase im Stich lasse, und das tut mir leid. Aber ich muss jetzt fahren.«
»Vielleicht sollte Harry dich vertreten. Ich weiß, dass er auf Maui ist, aber …«
»Deshalb musst du einspringen. Wer weiß, wie die Situation in Maui ist? Vielleicht gibt es dort noch nicht einmal mehr Telefon, wenn die erste Welle eingetroffen ist. Nun mach schon, Reggie. Du weißt so viel wie ich – wahrscheinlich mehr. Wo ist das Problem?«
»Ich habe bei der Tsunami-Warnung die falsche Entscheidung getroffen.«
»Aber ich doch auch.«
»Wenn du nicht gewesen wärst, würde ich jetzt die erste Warnung aussprechen. Was passiert, wenn ich mich noch einmal täusche?«
»Du hast genau das getan, was du gelernt hast. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig. Glaub mir, du wirst deine Sache gut machen. Ich würde nicht wegfahren, wenn ich dir das nicht zutraute.« Kai war sich zwar nicht sicher, ob das wirklich zutraf – er wäre unter allen Umständen gefahren –, aber er vertraute Reggie, deshalb war es egal. »Benutze Wheeler als Zentrale. Du musst weiterhin die einlaufenden Daten analysieren.«
Reggie stand da, als hätte er einen Frosch verschluckt, nickte aber langsam. »Ich tu, was ich kann.«
»Du erreichst mich über mein Handy. Geh mit Ms. Pimalo. Irgendwann müssen wir die Leitung sowieso an Palmer abgeben. Warum nicht jetzt? Bleib in Kontakt mit ihnen, und sage mir Bescheid, wenn neue Messungen eingehen. Du hast meine Nummer.«
Das Tsunami-Warnzentrum in Palmer, Alaska, würde weiterhin alle Messungen erhalten. Die Westküste der USA würde von dort aus gewarnt, wobei die Wellengröße nur noch ein Zehntel betragen würde, bis der Tsunami in Kalifornien eintraf. Im Gegensatz zu Hawaii würde man wenigstens die Zeit haben, sich vorzubereiten.
»Sollen wir die Übergabe jetzt noch machen?«, fragte Reggie.
»Dafür ist nicht mehr genügend Zeit«, antwortete Kai. »Ich rufe Palmer von unterwegs aus an und sage ihnen, dass du nun der Mann am Ruder bist. Los! Gehen wir.«
Sie verließen das Center. Inzwischen war Bilbo von den Umtrieben ganz aufgeregt und folgte ihnen bellend. In der Tür hielt Kai inne und warf einen letzten Blick auf ihre Zentrale. Er wusste, dass er sie nie wiedersehen würde.
»Zumindest gibt uns das die Chance, die neue an einem besser geeigneten Ort zu bauen«, bemerkte Reggie.
Die Reporterin und ihr Kameramann rannten zum Ü-Wagen. Reggie stieß hervor: »Geh noch nicht!«, und sprintete zu seinem Haus. Vermutlich um ein paar Erinnerungen zu holen, dachte Kai, und machte ihm keinen Vorwurf. Auch er rannte los, mit Bilbo auf den Fersen.
Als er bei seinem Haus angekommen war, herrschte in seinem Kopf ein großes Durcheinander. Er wusste nur, dass er irgendetwas mitnehmen musste. Er konnte nicht alle Erinnerungen an sein Familienleben untergehen lassen.
Er riss die Tür auf, rannte ins Haus, hielt inne und überlegte. Computer, Schmuck und ähnliche Dinge kamen ihm nicht in den Sinn, daran hing sein Herz nicht. Er wusste, dass er nur eine Sache, zur Not auch zwei würde mitnehmen können. Sie hatten natürlich Souvenirs von gemeinsamen Urlauben.
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