Todesflut: Thriller
zum Fernseher und stellte ihn auf MSNBC. Es lief gerade eine Wiederholung des Videos von der Welle, die auf die Südspitze von Big Island aufgelaufen war und die beiden Wanderer getötet hatte. Als Nächstes wurden die Satellitenfotos gesendet, die sie gerade gesehen hatten.
Danach wurde wieder Waikiki gezeigt, die Bilder des Asteroideneinschlags blieben in der oberen rechten Bildschirmecke eingeblendet. Menschen strömten aus den Häusern. Einige rannten schreiend durch die Straßen, andere schleppten eine lächerliche Zahl von Koffern und Elektronikgeräten mit sich.
»Es scheint geklappt zu haben«, sagte Reggie. »Die Leute verlassen ihre Häuser.«
»Nicht alle«, widersprach Brad.
Es erstaunte und betrübte Kai, wie schnell eine Katastrophe das Schlechte im Menschen ans Tageslicht brachte, zumindest bei einigen. Zwei Jugendliche zerschmetterten in einiger Entfernung eine Schaufensterscheibe und griffen sich mehrere nicht erkennbare Gegenstände. Ein Polizist, der den Verkehr geregelt hatte, rannte hinter ihnen her, bog um eine Ecke und war nicht mehr zu sehen.
»Das ganze Zeug ist in einer halben Stunde sowieso nicht mehr da«, sagte Brad. »Sollen sie sich doch bedienen.«
Nun waren Bilder zu sehen, die aus einem Helikopter über Waikiki aufgenommen worden waren. Die Kamera zoomte auf den Ala Wai Boulevard. Menschenströme folgten der Straße in Richtung Westen.
»Das können nur Touristen sein, die die Stadt nicht kennen«, kommentierte Reggie. »Sie wissen nicht, dass es dort keine Brücken gibt. Einheimische wüssten das.«
Es folgten Aufnahmen aus einem anderen Hubschrauber. Er flog übers Wasser, nicht weit vom Ufer von Waikiki entfernt. Die Kamera zeigte Leute, die noch auf dem Wasser waren, einige in Booten, die meisten auf Surfbrettern.
»Was machen die denn da?«, rief Kai und stellte den Fernseher lauter. Eine Sprecherin beschrieb bestürzt die Szene.
» … haben anscheinend die Warnungen der Zivilen Luftpatrouille ignoriert, sich an Land zu begeben. Ich möchte noch einmal wiederholen: Die Lage ist äußerst gefährlich. Sie sollten sich so weit wie möglich von der Küste entfernt aufhalten.«
»Haben diese Idioten denn die Sirenen nicht gehört?«, schimpfte Brad.
»Es könnte sein, dass sie zu weit draußen sind«, erklärte Reggie. »Deshalb fliegt die freiwillige Luftpatrouille.«
Die Kamera zeigte nun einen Surfer, der gemächlich auf das Ufer zuhielt. Dann hielt sie auf vier Kajaks zu. Sie paddelten in aller Ruhe in Richtung Waikiki, parallel zum Strand. Die Kamera zoomte heran.
»Mein Gott!«, entfuhr es Brad.
Die Gesichter der Kajakfahrer waren deutlich zu sehen. Die Jungen kannte Kai nicht, aber die beiden Mädchen. Wenig mehr als eine halbe Stunde, bevor der mächtigste Tsunami aller Zeiten Honolulu überrollen würde, war seine Tochter auf dem Wasser und blickte fröhlich winkend in die Kamera.
27. Kapitel
10:51
31 Minuten bis zum Eintreffen der Welle
Kai brauchte eine Minute, bis er den Schock überwunden hatte. Die Meldungen hatten sich einem anderen Thema zugewandt, aber die Bilder des Videos, in dem Lani und Mia unbekümmert in ihren Kajaks paddelten, offenbar ohne zu ahnen, dass sie in Lebensgefahr schwebten, wollte ihm nicht aus dem Sinn. Er kämpfte gegen die Angst an, die ihn jäh überfiel. Sie brodelte leise unter der Oberfläche, bis er auf die Füße sprang. Er wusste nun, was er als Nächstes zu tun hatte.
»Wir verlassen das Center!«, verkündete er und trieb alle zur Tür. »Reggie, wie lange braucht es, alles, was wir benötigen, auf einen Laptop zu übertragen?«
»Ist schon erledigt. Ich habe alles über das Netzwerk kopiert.«
»Gut.«
»Wer verlässt hier was?«, fragte Lara Pimalo.
»Sie, ich, alle«, antwortete Kai.
»Sie haben doch gesagt, wir haben noch dreißig Minuten.«
»Wir haben nur noch dreißig Minuten«, verbesserte Kai sie. »Hier ist es flach. Sie haben die Staus gesehen. Es wird eine Weile dauern, bis wir die Hügel erreichen. Sie sollten so schnell wie möglich aufbrechen. Falls Sie in einen Stau geraten, steigen Sie am besten aus und gehen zu Fuß weiter.«
»Das klingt so, als blieben wir nicht zusammen«, sagte Reggie.
»Richtig«, sagte Kai. Er sah Brad an. »Wie lange brauchst du mit dem Ding bis Waikiki?«
Brad zog eine Augenbraue in die Höhe und nickte dann. Nur Lani schaffte es, seinen Bruder dazu zu veranlassen, sich auf ein Motorrad zu setzen. »Du kennst meinen Fahrstil. Wir werden rechtzeitig
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