Todesfracht
einer Wasserschicht mit extrem hohem Salzgehalt, gebremst. Salzwasser ist dichter als Süßwasser, demnach verdrängt ein gleiches Volumen mehr Gewicht. Der Ozean besteht aus zahlreichen Schichten: wie eine Torte. Es sind Wasserschichten mit unterschiedlichem Salzgehalt und voneinander abweichenden Temperaturen. Daher ist es möglich, dass die
Avalon
in eine Schicht aus superdichtem Wasser geriet, das sie eine Zeit lang in der Schwebe hielt.« Er war sich natürlich darüber im Klaren, dass das Schiff immer noch Wasser aufnahm, daher dürfte es irgendwann diese Schicht durchquert haben, um dann abzusacken wie ein Stein.
Die Männer betrachteten schweigend den Sichtschirm, während die Sonde über dem gesunkenen Schiff dahinglitt. Es gab keine Anzeichen von einem Kampf, keine Einschusslöcher oder irgendwelche Explosionsspuren. Es war, als wäre die
Avalon
kampflos untergegangen. Sobald die Sonde den Bug erreicht hatte, verlangte Cabrillo vom Piloten, dass er den Abstand zum Wrack so verringerte, dass sie möglicherweise einen Blick durch eines der Fenster werfen konnten.
»Meinen Sie, da drin ist noch jemand am Leben?«, platzte der Taucher plötzlich heraus.
Juan hatte diesen Gedanken bereits gehabt, ihn aber gleich wieder verworfen. Er hatte sozusagen von einem Logenplatz aus verfolgen können, wie brutal die Piraten zu Werke gegangen waren, und wusste daher, dass sie keine Überlebenden zurücklassen würden, noch nicht einmal auf einem sinkenden Schiff.
Ein weiterer Beweis war das absolute Schweigen des oder der Überlebenden. Wenn er auf einem sinkenden Schiff eingesperrt worden wäre, hätte er sicherlich versucht, sich bemerkbar zu machen, ganz gleich wie aussichtslos ein solches Bemühen auch gewesen wäre. Er hätte mit einem Schraubenschlüssel gegen die Außenwand des Schiffsrumpfs geschlagen, bis er seine Arme nicht mehr hochbekam. Dann hätte er um Hilfe gerufen, bis ihm der Atem ausgegangen wäre. Nein, er war sich absolut sicher, dass an Bord der
Avalon
niemand mehr am Leben war.
Das ROV überquerte das Deck der
Avalon
und hielt auf die Kommandobrücke zu. In dem schmalen Lichtkegel konnten sie erkennen, dass die großen Fenster eingeschlagen worden waren, und zwar entweder von den Piraten oder durch den Wasserdruck beim Untergehen. Der Pilot bugsierte die Sonde durch einen der leeren Fensterrahmen und war sich dabei bewusst, dass die verstärkte Verbindungsleine jederzeit irgendwo hängen bleiben konnte. Die Decke wirkte wie eine schimmernde Wand aus Quecksilber. Es war ein Luftpolster, das von einer Blasenkette gespeist wurde, die aus einem winzigen Loch im Boden aufstieg.
Auf der Kommandobrücke gab es ausreichende Beweise für die Attacke. Einschusslöcher überall in dem Raum und unzählige Patronenhülsen auf dem Boden. Etwas, das aussah wie ein Stoffbündel oder eine Plane in einer Ecke, entpuppte sich als Leiche. Winzige Fische schnappten nach den dünnen Blutfäden, die immer noch aus zahlreichen Wunden austraten. Der Pilot versuchte, die Sonde so zu manövrieren, dass sie das Gesicht des Toten sehen und ihn vielleicht identifizieren konnten, aber die Leistung der kleinen Sonde reichte nicht aus, um den zu Lebzeiten großen und kräftigen Mann auf den Rücken zu drehen.
»Sehen Sie nach, ob Sie auch einen Weg in den restlichen Decksaufbau finden können«, sagte Cabrillo zu dem Piloten.
Dieser versuchte sein Glück, aber sie mussten feststellen, dass die Tür auf der Rückseite der Kommandobrücke mit einer Stahlstange quer durch die Griffe gesichert worden war. Die Sonde wanderte zuerst an der Backbordseite der
Avalon
entlang und stoppte an jedem Bullauge, aber innerhalb des Rumpfs konnten sie nichts erkennen. Dort herrschte absolute Dunkelheit. Der Pilot umrundete das Heck der
Avalon
und arbeitete sich an ihrer Steuerbordseite nach vorn. Der Scheinwerfer erzeugte einen perfekten Kreis auf dem schwarzen Rumpf, und jedes der runden Fenster funkelte wie ein Diamant. Sobald das Licht in eins der Bullaugen drang, war ein heftiges Dröhnen von Metall auf Metall zu hören. Es war ein verzweifelter, hektischer Trommelwirbel. Die Männer, die den Sichtschirm beobachteten, wichen instinktiv zurück, als plötzlich ein bleiches Gesicht hinter dem Fenster erschien. Es war eine Frau. Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen, und ihr Mund bewegte sich, während sie einen Schrei ausstieß, den sie nicht hören konnten.
»Herrgott im Himmel! Sie lebt!«
Cabrillo war bereits zu einer Sitzbank
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