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Todesfracht

Titel: Todesfracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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fragenden Geste vom Fahrer wissen, ob er die Ohrenschützer aus Plastik und Schaumstoff gefahrlos abnehmen könne. Der Indonesier nickte.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich in aller Form auf Englisch. »Wir sind daran gewöhnt.«
    »Was war das?«, fragte Savich.
    »Die Schiffssäge«, antwortete der Fahrer und winkte Savich zu einem Außenfahrstuhl, der an der Seite des zehn Stockwerke hohen Gebäudes klebte.
    Der Fahrer überließ Savich der Obhut eines anderen Arbeiters. Er erhielt einen Plastikhelm mit Ohrenschützern, die heruntergeklappt werden konnten. Der Arbeiter schlug die Fahrstuhltür zu, drückte auf einen Knopf und wartete geduldig, während der Lift am Gebäude in die Höhe fuhr. Die Aussicht war zwar nicht so beeindruckend wie während des Anflugs, aber Savich staunte über die Ausdehnung von Singhs Unternehmen. Es schien so, als ob das nächste Schiff, das nach dem rostigen Tanker den Weg alles Irdischen gehen sollte, ein kleines weißes Kreuzfahrtschiff war, das wie eine jungfräuliche Braut inmitten einer Horde verarmter Nutten erschien. Eine quadratische Öffnung war bereits in seinen Rumpf geschnitten worden, und ein Schwimmkran lud die Entsalzungsanlage auf einen wartenden Leichter.
    Der Fahrstuhl erreichte den höchsten Punkt, und der Arbeiter schob eine Doppeltür auf. Savich wich bei dem Gestank von glühendem Metall instinktiv zurück. Als sich seine Augen an das Dämmerlicht im Innern des Gebäudes gewöhnt hatten und er auch die Tränen weggeblinzelt hatte, die ihm die Dämpfe in die Augen trieben, erkannte er, dass das Gebäude nicht mehr als eine riesige Halle mit massiven Toren an beiden Enden war.
    Trotz ihrer Ausmaße herrschte eine drangvolle Enge in der Halle, weil ein großes Schiff oder das, was von ihm noch übrig war, den größten Teil des Innenraums ausfüllte.
    Der Laufgang, auf dem sie standen, befand sich knapp neben der Kommandobrücke. Ehe es in die Halle gezogen worden war, hatten Arbeiter den Schornstein des Schiffes und seine Masten abgeschnitten, damit es in den Schuppen passte. Fast die Hälfte des Schiffes war abgetrennt worden, und zwar glatt und sauber, als wäre eine Riesenguillotine am Werk gewesen. Große Winschen vor dem Gebäude schleiften den Kadaver auf dem schrägen Boden hoch. Sobald sich das Schiff in Position befand, senkte sich von einer Laufschiene unter dem Dach des Schuppens ein Mechanismus herab und spannte etwas, das wie eine riesige Kette aussah, um den Schiffsrumpf. Savich schaute genauer hin. Die Kette war wie eine Bandsäge mit stählernen Zähnen versehen.
    »Was halten Sie davon, mein Freund?«, rief Savichs Gastgeber von der Kommandobrücke des Frachterwracks.
    Wie alle Sikhs trug Shere Singh einen langen Bart, der die untere Hälfte seines Gesichts verhüllte, das nach oben von einem straff gewickelten Turban begrenzt wurde. Der Schutzhelm, der auf dem weißen Tuch balancierte, sah wie der Spielzeughelm eines Kindes aus. Die Haare und der Bart waren mit silbergrauen Strähnen durchzogen, und der Bartbereich um seinen Mund herum war nach Jahren starken Rauchens deutlich verfärbt. Seine Haut war nussbraun und wettergegerbt, er hatte stechende, fast vor Wahnsinn glänzende Augen, die die beunruhigende Angewohnheit hatten, einen anzustarren, ohne zu zwinkern. Außerdem war Singh mit seinen Einsneunzig fast zwanzig Zentimeter größer als Savich. Er hatte einen mächtigen Brustkorb, Schultern so breit wie ein Galgenarm und einen voluminösen Bauch, so hart wie Granit.
    Aus einem Dossier, das ihm Bernhard Volkmann hatte zukommen lassen, wusste Savich, dass sich der zweiundfünfzig Jahre alte Singh aus einem Slum in Lahore hochgekämpft hatte, wo er schon als junger Mann seine Größe und seine Kraft als Mittel der Einschüchterung eingesetzt hatte. Seinen ersten legalen Job bekam er erst mit sechsundzwanzig, als er die Aktienmehrheit einer pakistanischen Im- und Exportfirma zu einer Zeit erwarb, in der die Vereinigten Staaten Geld in die Region pumpten, um der sowjetischen Invasion Afghanistans entgegenzuwirken. Trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen in diesem Bergland schaffte ein ständiger Strom von Opiumschmugglern seine Ware nach Karachi, und Singh war nur zu bereit, das Rohprodukt zu den Heroin produzierenden Zentren in Amsterdam, Marseille und Rom weiterzuleiten.
    Singh war klar, dass die amerikanische Hilfe einen afghanischen Sieg garantierte, daher beendete er den Opiumhandel, als die Taliban an die Macht kamen, und

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