Todesfracht
unverdorben.
Ein Zweimastschoner, ein Küstenfrachter, wie er annahm, glitt unter Segeln, die vom Passat gebläht wurden, durch den leichten Seegang. Das Schiff sah aus, als käme es direkt aus dem neunzehnten Jahrhundert.
Wie konnte ein Volk, das ein Paradies wie den Archipel gekannt hatte, eine Stadt wie Jakarta erschaffen – mit ihren achtzehn Millionen Einwohnern, ständigen Verkehrsstaus, Verbrechen, Armut, Krankheiten und einem Smog, der so dicht war und wie ein Senfgasangriff im Ersten Weltkrieg stank? In ihrem Drang nach Modernisierung hatten sich die Indonesier das Schlechteste zum Vorbild genommen, was der Westen anzubieten hatte, und das Beste ihrer Kultur aufgegeben. Sie hatten einen Mischmasch aus Konsumterror, Korruption und aufblühendem religiösem Fanatismus geschaffen, der kurz vor dem Zusammenbruch stand. Durch seine Kontakte hatte Savich erfahren, dass die Vereinigten Staaten insgeheim mehr als tausend Soldaten auf den Inseln stationiert hatten, um bei der Ausbildung örtlicher Streitkräfte gegen den Krieg des einundzwanzigsten Jahrhunderts mitzuhelfen.
Der Pilot tippte Savich auf den Arm und deutete nach vorn.
Widerstrebend löste er den Blick von dem friedlichen Segelschiff und richtete seine Aufmerksamkeit auf ihr Flugziel. Der Komplex lag in einer Bucht, versteckt hinter einer Felsbarriere, daher konnte er lediglich die kleine Schiffsflotte ausmachen, die dort ankerte. Selbst aus dieser Entfernung und Höhe war zu erkennen, dass es ausschließlich Wracks waren, die stählernen Hüllen einstmals stolzer Schiffe, die ihre Nützlichkeit überlebt hatten. Mehrere trieben in den schimmernden Auren ihres Dieselöls, wie Mordopfer, die von ihrem eigenen Blut und Exkrementen eingerahmt wurden. Ein Schiff lag schon so lange dort, dass sein Kiel allmählich ein Opfer der Korrosion geworden war. Bug und Heck zeigten himmelwärts, während sein zerdrückter Schornstein zwischen den Hälften wie eine Nuss in einem riesigen Nussknacker eingeklemmt wurde. Ein Stück weiter dem Horizont entgegen beschrieb eine Ölbarriere einen weiten Bogen um die Bucht. Es gab ein Einfahrtstor, das von zwei kleinen Leichtern bedient wurde, die die schwimmende Barriere öffnen konnten, um Schiffen Einlass zu gewähren. Kein Schiff verließ diesen Ort, zumindest nicht auf dem Wasserweg.
Der Helikopter flog eine Kurve über der Landspitze, und der Karamita Breakers Yard kam in Sicht. Weitere Schiffe jeder Größe und Art ankerten innerhalb der Bucht wie Vieh auf einer Rutsche, die zum Schlachthaus führte. Zwei Supertanker, jeder mindestens dreihundertfünfzig Meter lang, waren durch eine Kombination von Springfluten und riesigen Winschen auf den leicht abfallenden Strand gezogen worden. Ein Heer von Männern verteilte sich wie ein Insektenschwarm auf den Rümpfen, wo gelegentlich Funkenwolken hoch aufsprühten, wann immer ihre Schneidbrenner auf Metall trafen. Ein Kran auf breiten Fahrketten stand dicht an der Wasserlinie und pflückte stählerne Rumpfteile aus dem Wasser, sobald sie abgeschnitten waren. Er schwenkte sie weiter den Strand hinauf, wo noch mehr Arbeiter bereitstanden, um die Stahlscheiben in transportierbare Teile zu zerlegen. Andere Arbeitstrupps rissen Rohrleitungen und Stromkabel aus den Schiffsrümpfen und weideten die Supertanker aus, als bereiteten sie ein ausgenommenes Tier für den Verkauf vor.
Und in gewissem Sinn taten sie das auch. Die kleineren Metallteile wurden auf Schienenwagen geladen, um auf eine kurze Reise nach Norden zu den Karamita Steel Works gebracht zu werden. Dort wurde der Schrott dann eingeschmolzen und zu Stahlträgern für den nicht enden wollenden Bauboom in Südchina verarbeitet. Hinter dem modernen Stahlwerk schimmerte der künstliche See hinter dem größten hydroelektrischen Kraftwerk Indonesiens, das eine derart konzentrierte Schwerindustrie in einem ansonsten unbewohnbaren Dschungel erst möglich machte.
Der einst saubere, unberührte Sand, der die Bucht umgab, hatte sich in einen schwarzen Teerbrei verwandelt, der wie Lehm an den Füßen der Männer klebte. Jenseits der Ölbarriere war das Meer einigermaßen geschützt, doch innerhalb der Barriere bildete das Wasser eine giftige Suppe aus Öl, Schwermetallen, PCBs und Asbest. Weite Landflächen dienten als Lagerplatz, übersät von Dampfkesseln, Bergen von Rettungsbooten, einer Kollektion von Ankern und Hunderten anderer Teile, die auf dem freien Markt weiterverkauft werden konnten. Hinter den mit Zäunen
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