Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
wedelte wie wild mit dem Armen und gab ihm zu verstehen, dass Gabriele schon in aller Früh gemeinsam mit Sina aufgebrochen sei und wohl so bald nicht zurückkäme. Natürlich interessierte es Diehl, wohin die Frauen unterwegs waren, doch wie er sich denken konnte, wollte Friedhelm das Ziel nicht nennen: »Ich glaube nicht, dass es ihr recht wäre. Gabrieles Geschäfte sind sehr …« Er suchte nach dem passenden Wort. »Sie sind sehr sensibel, vor allem Kundendaten wie Adressen gibt sie ungern preis.«
    Diehl schnaufte deutlich hörbar. Wenn er Gabriele jetzt nicht sehen konnte, musste er seinen nächsten Versuch auf den späten Nachmittag verschieben. Denn vorher würde er nicht die Gelegenheit haben, das Büro zu verlassen. Das Kommissariat, ja das ganze Präsidium, war voll und ganz in die Vorbereitungen des Besuchs von Al Gore eingebunden. Die Auflagen, die das State Department für die Visite des amerikanischen Vizepräsidenten gemacht hatten, waren exorbitant. Diehls eigentliche Arbeit kam momentan fast vollständig zum Erliegen. Entsprechend angespannt fühlte er sich. Und ausgerechnet jetzt wollte dieser dünne Hering nicht damit rausrücken, wo seine Schwester steckte! Diehl zügelte seine Ungeduld. Statt weiter nachzubohren, nahm er einen Block und einen Kugelschreiber aus seiner Jacketttasche und notierte eine kurze Nachricht. Er riss den Zettel heraus und reichte ihn Friedhelm. »Würden Sie das bitte Ihrer Schwester geben, wenn sie zurückkommt? Sie möchte mich anrufen. Das obere ist meine Büronummer, das untere die Nummer meines Autotelefons. Meinen Privatanschluss kennt sie sowieso schon. Sagen Sie ihr, sie kann sich jederzeit bei mir melden, auch wenn es schon spät ist.«
    Friedhelm nickte und steckte den Zettel hastig ein. Er machte drei Kreuze, als der Polizist endlich wieder gegangen war.
     
    Nachdem Vladi ein spätes Frühstück zu sich genommen hatte, machte er sich in aller Ruhe auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle an der Wölckernstraße. Da es wieder zu regnen begonnen hatte, zog er die Kapuze seines grauen Sweatshirts über den Kopf und schlurfte mit gesenktem Haupt über den Gehweg.
    Die Haltestelle war, wie üblich um diese Uhrzeit, stark frequentiert. Frauen mit Einkaufskörben standen neben Männern mit Aktentaschen, Müttern mit Kinderwagen und verspäteten Schülern, die sich einen Spaß daraus machten, sich gegenseitig zu schubsen und damit beinahe auf die Gleise zu stoßen.
    Vladi mischte sich unter die Wartenden. Hier würde er niemandem auffallen. Hier war der perfekte Treffpunkt, an dem ihm Spencer einen Umschlag mit dem restlichen, ihm noch zustehenden Geld für den letzten Auftrag zustecken würde. Spencer bevorzugte solche sicheren Übergabemethoden, da er nicht zusammen mit seinen Helfershelfern in Verbindung gebracht werden wollte. Der Ami mied den persönlichen Kontakt mit seinen Mittelsleuten, wo es nur ging. Vladi war das egal, denn die Hauptsache blieb für ihn die pünktliche und vollständige Bezahlung. Mit der Aussicht auf den mit Banknoten gefüllten Umschlag verflogen auch seine düsteren Gedanken, die er am Vorabend gehegt hatte. Denn letztlich machte er doch nur einen Job wie viele andere. Wo käme man denn hin, wenn man alles bis ins Letzte hinterfragt?
    Einen Teil seines Soldes würde Vladi gleich investieren. Im Kaufhof würde er die neue CD von Lenny Kravitz kaufen. Er mochte nicht nur die raue, kratzige Stimme des Sängers, sondern sein ganzes Auftreten: Die lässige, gegen alle Konventionen verstoßende Art ähnelte seiner eigenen Einstellung zum Leben. Und auch äußerlich sahen sie sich nicht unähnlich, fand Vladi.
    Drei Straßenbahnen hielten und fuhren wieder ab. Die Menschen um ihn herum kamen und gingen. Nur von Spencer war nichts zu sehen. Das war untypisch. Denn der Amerikaner hielt viel von Pünktlichkeit. Wenn bisher jemand zu spät zu einer ihrer Kontaktaufnahmen gekommen war, dann Vladi. Niemals aber hatte sich Spencer verspätet. Ob ihm etwas dazwischengekommen war?
    Vladi sah auf seine Armbanduhr. Der andere war nun mehr als 20 Minuten überfällig. Seltsam.
    Nach weiteren zehn Minuten spurtete Vladi über die Straße und holte sich eine Cola bei einem Dönerstand. Dabei ließ er die Haltestelle nicht aus den Augen.
    Nochmals ließ er eine Viertelstunde verstreichen, dann hatte er die Nase voll. Mehr wütend als enttäuscht schlurfte Vladi zurück nach Hause. Auf die neue CD von Lenny Kravitz musste er vorerst verzichten, denn er hatte

Weitere Kostenlose Bücher