Todesfrauen
offenen Mündern.
15
Als Friedhelm aus seiner unbequemen Liegeposition erwachte, lief im Fernseher längst das Frühstücksprogramm. Ein aufstrebender Wettermoderator lieferte gerade eine ungewohnt flapsig vorgebrachte Prognose für die nächsten Tage ab und schenkte den Zuschauern neuen Mut, dass die momentane Schlechtwetterlage schon bald von einem Hochdruckgebiet vertrieben werden und die Sonne selbst die zähesten Wolken einfach wegbrutzeln würde.
Friedhelm fand das nur mäßig originell und schon gar nicht lustig. Er drückte auf die Fernbedienung und bereitete dem ambitionierten Vortrag des Wetterfroschs ein vorzeitiges Ende. Mit schlurfenden Schritten begab er sich in die Küche und durchforstete die Vorräte seiner Schwester nach etwas, das seinen Gelüsten entsprach. Er fand es in Form von Eiern und Speck, die er sich sogleich zubereitete.
Während er aß und dazu einen starken Kaffee trank, dachte er an Gabriele und daran, dass sie noch immer nicht aufgetaucht war. Einen Geschäftsabschluss zu feiern und danach zu versumpfen war die eine Sache. Aber gar nicht mehr heimzukommen und die Nacht stattdessen wahrscheinlich bei irgendeinem Typen außer Haus zu verbringen, ging nun doch zu weit. Friedhelm war ernsthaft erbost und bedachte seine Schwester mit einer Vielzahl von Flüchen.
Dann besann er sich seines Versprechens, den Laden zu hüten. Es war bereits nach 9 Uhr. Die Geschäftszeit hatte also schon begonnen. Aus einem tiefen, inneren Bedürfnis nach Gerechtigkeit heraus dachte er daran, sich einfach aus dem Staub zu machen. Sollte das Geschäft zubleiben! Wenn seine Schwester etwas Besseres vorhatte, als ihrem Beruf nachzugehen, war es mehr recht als schlecht, wenn er sich dieselben Freiheiten herausnahm.
Doch auf einmal fielen ihm die hehren Ziele seiner Eltern ein und ihr ewiges Bestreben, den Antiquitätenhandel zu einer dauerhaften Blüte zu führen. Für einen winzigen Moment verspürte er so etwas wie Pflichtgefühl und Verantwortung.
Als er jedoch den Ladenschlüssel vom Schlüsselbrett nahm, spukten bereits andere Überlegungen durch seinen Kopf: Wenn sich seine Schwester zu gut dafür war, selbst hinterm Tresen zu stehen, könnte er fürs Erste zwar den Verkauf übernehmen – aber er würde es besser machen! Er könnte die Preise einiger Ladenhüter reduzieren und das ein oder andere schwer verkäufliche Exponat als Schnäppchen ins Schaufenster stellen. Damit würde er das Tagesgeschäft beleben und vielleicht sogar neue Kunden ansprechen. Im Endeffekt würde eine satte Beteiligung für ihn herausspringen.
Ja, dachte er vergnügt, wenn er es sich recht überlegte, durfte sich das liebe Gabilein ruhig noch ein wenig mehr Zeit damit lassen, um die Häuser zu ziehen und ihre Pflichten zu vernachlässigen. Zufrieden grinsend schritt er durch den Verkaufsraum, drehte den Schlüssel im Schloss und riss schwungvoll die Ladentür auf. Der erste Kunde stand bereits davor. Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen, seine Hände steckten in den Taschen seines Trenchcoats. Als er aufblickte, verflogen augenblicklich alle positiven Gedanken, mit denen sich Friedhelm bis eben bei Laune gehalten hatte. Denn der Kunde war kein Kunde, sondern Polizist.
»Darf ich eintreten?«, fragte Eduard Diehl und trat über die Schwelle, ohne eine Antwort abzuwarten.
»Ja, nein, … – was wollen Sie von mir?«, stotterte der völlig überrumpelte Friedhelm und taumelte rückwärts in den Laden.
Diehl kniff die Augen zusammen. »Von Ihnen? Sollte ich denn etwas von Ihnen wollen?«
Friedhelm schluckte schwer. »Nein. Das war nur so daher gesagt«, redete er sich mühsam heraus. »Man ist es halt nicht gewohnt, dass am frühen Morgen die Polizei vor der Tür steht.«
Diehl ließ seine skeptische Miene ein wenig aufhellen. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin nicht in offizieller Mission hier. Mein Dienst beginnt erst in einer halben Stunde im Präsidium.«
»Ja, na dann. – Sie möchten meine Schwester sprechen, nicht wahr?«
Diehl fiel auf, dass der linkische, dürre Mann nach wie vor angespannt und nervös wirkte. So verhielten sich nach seiner Erfahrung nur Menschen, die etwas zu verbergen hatten und fürchteten, dass man ihnen auf die Schliche kam. Nur was wollte Friedhelm vor ihm verbergen? Möglichst harmlos erkundigte er sich daher, ob Gabriele schon aufgestanden sei und ob er sie kurz sehen könne.
Diese simple Frage löste bei seinem Gegenüber eine regelrechte Panikattacke aus. Friedhelm
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