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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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nur noch vier Mark in der Tasche.

16
     
    Weder die Kopfschmerzen noch das Schwindelgefühl ließen nach, während Gabriele und Sina mit wachsendem Unmut ihre aufgezwungene Bleibe untersuchten. Nach genaueren Untersuchungen mussten sie einsehen, dass sie den Raum nicht verlassen konnten. Die Tür war fest verschlossen, außerdem blieben sie durch ihren gestörten Gleichgewichtssinn in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt.
    Gabriele zog eine trübe Bilanz von dem, was ihnen bisher widerfahren war: Sie hatten sich von der Aussicht auf ein lukratives Geschäft blenden lassen, hatten ihren gesunden Menschenverstand zu Hause zurückgelassen und waren naiv und unbedarft in eine Falle getappt. Die Falle war zugeschnappt, und wie es nun aussah, ließ sie ihnen keinerlei Schlupflöcher offen. Das wohnliche Ambiente ihres Gefängnisses mochte zwar oberflächlich betrachtet darüber hinwegtäuschen, doch in Wahrheit handelte es sich um nichts anderes als um eine Zelle. Nur dass es statt Gitterstäben und grauen Betonwänden hier Tapeten und Möbel gab. Gabriele zermarterte sich das Gehirn dabei, über die Ziele ihrer Häscher nachzudenken.
    Die Fragen danach, weshalb man sie hier eingesperrt hatte und wie lange sie gefangen gehalten werden sollten, wurden zumindest bei Sina zunehmend von dem Interesse daran verdrängt, warum sie sich dermaßen benommen fühlten. Ihr fiel die Sache mit dem Ring wieder ein, worauf sie ein Experiment wagte: Sina setzte sich auf den Fußboden, zog den Ring ab, klemmte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und stellte ihn vor sich auf das glatte Linoleum.
    Sobald sie den Ring losließ, begann er zu rollen. Zunächst langsam und schlingernd, dann schneller und schneller. Klirrend schlug er gegen die Fußleiste der Wand, prallte ab und blieb schließlich liegen. Sina sah erstaunt zu. »Das ist komisch«, meinte sie schließlich.
    »Komisch ist so ziemlich das letzte Wort, das ich für die Beschreibung unserer Situation verwenden würde«, sagte Gabriele streng, die sich wieder auf einen der beiden Stühle gesetzt hatte.
    Sina holte sich ihren Ring zurück, ging mit nach wie vor schweren Beinen in eine andere Ecke des Zimmers und wiederholte ihren Versuch. Der Resultat war das gleiche: Das Schmuckstück rollte über den Boden.
    »Hör doch mit dem Kinderkram auf. Lass uns lieber überlegen, wie wir hier rauskommen!«, schalt Gabriele sie.
    Aber Sina ging in ihrem Forschungseifer auf und ließ den Ring aus einer dritten Richtung erneut rollen, bevor sie dasselbe ein weiteres Mal von der Tischplatte und dann von der Sitzfläche ihres Stuhles aus probierte. »Das erklärt einiges«, murmelte sie.
    »Sina!« Gabriele sah sie grimmig an. »Was soll der Zirkus?«
    Sina setzte sich ihrer Freundin gegenüber und legte ihre verschränkten Arme auf den Tisch. »Der Raum ist schief«, erklärte sie und erntete dafür nur einen fragenden Blick der anderen. Sina holte aus: »Ich habe mal etwas über Verhörmethoden der CIA gelesen und über die Tricks, wie sie ihre Delinquenten mürbe machen.«
    »Du meinst Einzelhaft in Dunkelzellen und Übergießen mit kaltem Wasser?« Gabriele erkannte noch immer keinen Zusammenhang mit ihrer Lage.
    »Wovon du sprichst, das sind die eher plumpen Mittel. Aber es gibt weitaus subtilere Methoden, die die Opfer nicht durchschauen, unter deren Wirkung sie aber umso mehr leiden.«
    Gabriele zog die rechte Braue hoch. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass es eine abgefeimte Foltermethode ist, wenn der Maurer einen Fußboden nicht richtig ausbalanciert?«
    Sina nickte bedächtig. »Nicht nur der Fußboden ist in diesem Zimmer geneigt. Auch jedes Möbelstück. In dem Bericht, den ich gelesen haben, wurde dieses Verfahren ›Gekippte Welt‹ genannt: Lampe, Tisch, Stühle, Wände – da wurde ein ganz normales Zimmer um zwölf oder 13 Grad gekippt. Diese scheinbar kleine Veränderung hatte große Auswirkungen: Der Sehsinn und der Gleichgewichtssinn liefern ja unterschiedliche Informationen an das Gehirn, und so gerät die Wahrnehmung in einen Konflikt. Denn optisch senkrechte Linien möchte der Körper auch immer als Senkrechte fühlen. Hier ist das nicht der Fall, und der Körper sträubt sich dagegen.«
    »Deswegen habe ich so schwere Beine und mir ist ständig schwindelig?«, fragte Gabriele noch immer ungläubig.
    »Genau!«, meinte Sina bestimmt. »Man will uns weichkochen. Und dieses Zimmer ist der erste Schritt dazu.«
    »Nein«, sagte Gabriele leise. »Es ist schon der

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