Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
im Gertrudenstift absolute Vertrauenswürdigkeit und eine Schwester öffnete ihr das Zimmer der Verstorbenen. Glücklicherweise wurde die Pflegerin in ein anderes Zimmer gerufen und ließ Gerlinde allein. Die verschaffte sich einen schnellen Überblick über die Wertgegenstände ihrer Zimmernachbarin, mit der sie gut befreundet gewesen war. Sie wusste, dass im Schrank der alten Dame Schmuck und Geld zwischen ihrer Aussteuerwäsche versteckt lag. Die Ketten und Broschen waren alle noch an ihrem Platz, eingeschlagen in ein Samttuch, das Geld allerdings fehlte. Gerlinde war ratlos. Was war hier geschehen? Der Schrank wurde offensichtlich nicht durchwühlt, jemand musste gewusst haben, dass hier die Wertsachen der alten Dame aufbewahrt wurden. Hatte sie das Geld vielleicht selbst entnommen?
Gerlinde musste sich beeilen und suchte ihre Klassik-CDs zusammen. Sie wollte sich nicht verdächtig machen und wusste, dass sie das Zimmer schnell wieder verlassen musste. Als sie dabei war, die Tür hinter sich zuzuziehen, fiel ihr Blick noch auf den kleinen Teewagen, der am Sofa vor dem Balkonfenster stand. Der Rosenstrauß war wirklich prächtig und sicher ganz schön teuer gewesen. Gerlinde hätte allerdings schwören können, dass der Strauß gestern Abend etwas anders ausgesehen hatte. Da bestand der Strauß nur aus Rosen, heute Morgen standen zwischen den roten Rosen dunkelblaue Blütenrispen.
„ Weißt du, Georg, ich finde es einfach komisch, dass gerade jetzt, wo Frau Wellenstein tot ist, so viel Geld fehlt.“
„I ch werde nachher mal mit dem Arzt sprechen, der den Tod festgestellt hat. Für das fehlende Geld kann es auch eine ganz einfache Erklärung geben.“
Gerlinde schüttelte den Kopf; ihr Sohn wusste ja noch nicht alles. Wellenstein war gestern Abend nicht der einzige Besucher bei ihrer Nachbarin gewesen. Sie hatte dem zweiten Besucher allerdings keine besondere Bedeutung beigemessen. Wieder hatte Frau Wellenstein die Musik leiser gedreht und aus alter Gewohnheit war Gerlinde Haller auf ihren Balkon gegangen. Die Späh-Aktion war allerdings wenig ergiebig. Ihre Nachbarin hatte bereits die Vorhänge zugezogen, so dass sie nur die Schatten der Personen im Nebenzimmer sehen konnte. Gerlinde erkannte nur, dass die alte Dame offensichtlich umarmt wurde und dass sie sich anschließend mit ihrem Besucher auf das Sofa setzte. Länger wollte sie nicht auf dem Balkon ausharren, denn inzwischen hatte das Fußballspiel so richtig Fahrt aufgenommen und ein Schattenspiel zweier sich unterhaltender Personen war keine spannende Alternative. Da kurze Zeit später die Musik aus dem Nachbarzimmer schon wieder lauter wurde, maß Gerlinde Haller der beobachteten Situation keine weitere Bedeutung bei. Viel mehr beschäftigte sie zu diesem Zeitpunkt, dass sie ihren Sohn telefonisch nicht erreichen konnte. Hoffentlich war da alles in Ordnung!
„ Warum machst du dir überhaupt so viele Gedanken um den Tod von Frau Wellenstein?“ Für Georgs Geschmack hatte er sich jetzt lange genug geduldet, er wollte gern aufbrechen und sah auf die Uhr. „Schorsch, jetzt kommt es! Pass auf!“ Gerlinde wusste, dass sie noch einen Trumpf in der Hand hatte, den ihr Sohn nicht so einfach vom Tisch wischen konnte.
Als sie mit ihren CDs heute Morgen wieder zurück in ihrem Zimmer war, setzte sie sich hin und sortierte nüchtern alle Fakten, die offensichtlich waren. Das Zimmer ihrer Nachbarin hatte nicht den Eindruck erweckt, als sei hier ein Verbrechen geschehen. Der Blumenstrauß war es schließlich, zu dem ihre Gedanken immer wieder zurückkehrten und der ihr verdächtig vorkam.
Für Georg war diese r Hinweis noch zu dürftig, um über die Einleitung von Ermittlungen überhaupt nachzudenken. Aber er kannte seine Mutter nur zu gut. Wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte sie hartnäckig sein. Und sie erwartete jetzt ganz offensichtlich von ihm, dass er ihre „Spur“ weiter verfolgte. Wenn er die Sachlage noch einmal für sich zusammenfasste, dann hatte er eine tote alte Frau, die vor ihrem Ableben noch netten Besuch empfangen und ihr Geld zu Lebzeiten verschenkt hatte und außerdem hatte er noch einen Blumenstrauß, der seiner Mutter irgendwie seltsam vorkam.
Georg seufzte, der Samstag hatte einen schweren Start. Weil er aber imm er noch ein schlechtes Gewissen wegen Muttis Opel hatte und weil er unbedingt aufbrechen wollte, willigte er ein, sich die Sache selbst einmal anzusehen. Er verabschiedete sich von seiner Mutter und
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