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Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Titel: Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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Dame von Welt, die erst einmal kultiviert eingeladen werden wollte. Michael wusste, dass man Frauen umwarb. Aber zwischen ihnen war doch schon alles klar und er hätte sich gewünscht, dass sie einen intimeren Ort für ihre Begegnung gewählt hätte. Vielleicht wollte Esther auch erobert werden, wollte es spannend machen. Michael jedenfalls hatte verstanden, er war vorbereitet. Zum verabredeten Zeitpunkt kam er die Rolltreppe in das Obergeschoss des Kaufhauses hochgefahren. Je höher er kam, desto nervöser wurde er.
    Esther wartete vor der Cafeteria. Sie trug eine Sonnenbrille. Die dunklen Gläser gaben ihr Sicherheit. Das Treffen war ihr unangenehm und sie hoffte, dass sie es schnell beenden konnte. Michael war von ihrem Telefonanruf überrascht gewesen und hatte sofort zugesagt zu kommen. Esther war sich sicher, dass er sich über den Anruf gefreut hatte und das machte es ihr noch schwerer, ihm jetzt in die Augen zu blicken.
    Was erhoffte sich dieser junge Mann von ihrem Treffen? Hatte er überhaupt eine Ahnung, auf was er sich da eingelassen hatte, als er damals auf ihre Chiffre-Anzeige geantwortet hatte? Es schien ihr , als habe Michael sein ganzes Schicksal in ihre Hände gelegt und hoffte jetzt, dass die Belohnung käme. Mit welcher Erwartung würde er ihr heute gegenübersitzen? Würde es ihr schwer fallen, ihre Forderungen zu stellen? Esther wusste es nicht. Sie war mit den Freitagstreffen sowieso schon weiter gegangen, als sie das jemals von sich geglaubt hätte. Wozu hatte ihr Mann sie nur gebracht?
    Esther wandte ihre Augen nicht von der Rolltreppe ab. Auf wen wartete sie eigentlich? Kannte sie Michael überhaupt und wollte sie wissen, wer er war und was er fühlte? Esther gestand sich ein, dass sie sich den gleichen egoistischen Blick angewöhnt hatte wie ihr Mann. Menschen waren ihr nur dann wichtig, wenn sie ihr nutzten. Der eigene Vorteil war im Laufe der Jahre auch für sie zum Maßstab ihres Handelns geworden. Michael interessierte sie nicht. An die gemeinsamen Treffen hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Sicher, eine gewisse Lust empfand auch sie. Allerdings war die schnell verflogen und machte regelmäßig einem bitteren Nachgeschmack Platz und der schmerzhaften Erkenntnis, benutzt zu werden und die Kontrolle über das eigene Leben aus der Hand gegeben zu haben. Das sollte sich ändern.
    Esther hatte schon Hoffnung geschöpft, als ihr Mann sie am Samstagabend zu sich ins Exerzitienhaus hatte rufen lassen. Er brauchte sie. Das hatte er ihr schon Jahre nicht mehr gesagt. Sie war gekommen und die Nacht über geblieben. Ihr Mann hatte sie einfach nur im Arm gehalten und war dann Seite an Seite mit ihr eingeschlafen. Über das vereitelte Attentat wollte er zwar nicht sprechen und über die Motive Pirchows hatte er sie auch im Unklaren gelassen, aber das war Esther egal. Sie war ihrem Mann nahe und hatte das Gefühl, gebraucht zu werden. Als Hans-Peter gestern Nachmittag nach Beendigung des Probenwochenendes nach Hause gekommen war, hatte er seine Frau gebeten, schnell ein Treffen mit Michael zu vereinbaren. Endlich würde sich etwas ändern in ihrem Leben.
    Esther schaute Michael mit nüchternem Blick an. Dieses Kapitel ihres Lebens würde bald abgeschlossen sein. Erst sah sie seinen Kopf auf der Rolltreppe auftauchen und langsam erschien sein ganzer Körper. Auf sie kam ein hagerer junger Mann zu, verlegen wie ein Tanzschüler vor dem Abschlussball. Er hatte sich für das Treffen extra fein gemacht, sein Hemd gebügelt und eine Lederkrawatte umgebunden. Für Esther Wellenstein hatte er eine gelbe Rose mitgebracht. Angesichts des Treffpunktes hatte er sich nicht getraut, eine rote Rose zu wählen, sich aber fest vorgenommen, beim nächsten Rendezvous die Farbe der Liebe sprechen zu lassen. Michael kam auf sie zu und wusste nicht recht, wie er sie in der Öffentlichkeit begrüßen sollte. Die Freitagstreffen liefen nach einem festen Schema ab, da musste er sich keine Gedanken machen. Aber hier war es etwas Anderes. Esther empfing ihn nicht im Morgenmantel und er wusste nicht, welchen Verlauf der Nachmittag nehmen würde. Er war auf freier Wildbahn und hätte zu gern ein Drehbuch gehabt, das ihm Sicherheit gegeben hätte.
    Bevor er etwas sagen musste, ergriff Esther die Initiative und gab ihm zur Begrüßung die Hand. Ihre Stimme klang anders als sonst. Freitags kannte Michael sich aus. Für montags hatte er keinen Plan. Er war dankbar, dass Esther die Führung übernahm und drauflos plauderte. Sie

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