Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
den Dienst. Aber du würdest sie nicht hören, meine Klagen. Dein Herz ist verschlossen und ich renne gegen die Mauern meines stummen finsteren Kerkers. Nur du allein kannst die Ketten meines Herzens sprengen!
Was hätte ich um d as Glück der freien Wahl gegeben! Meine Zukunft war längst beendet bevor deine ruhmglänzend begann.
Wie kann man nur so leben wie du? Im goldenen Käfig der Eitelkeiten und Selbstgefälligkeit? Der andere ist nicht viel mehr als Werkzeug der eigenen Lust, ersetzbarer Klangkörper, Trittbrett auf dem Weg nach oben.
Du zitterst und heulst, hängst an deiner Existenz aus Lob und Heuchelei. Wahre Größe zeigt sich anders. Was ist es denn wert, dein Leben oder meines?
Die Währung , mit der du dir deine Zukunft bitter wirst erkaufen müssen, heißt Schuld und Angst! Sie werden deine Begleiter sein, dir auf der Seele sitzen. Verschlossen ist der Weg, der dich in meine Arme geführt hätte...
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Mittwochabend / Schweinebratenwahrheiten
Die Buschtrommeln im Altersheim hatten mittlerweile die wildesten Gerüchte um den Tod von Wellensteins Mutter verbreitet. Gerlinde Haller reichte es; sie wollte die Spekulationen nicht länger tatenlos hinnehmen. Und sie hatte auch keine Lust mehr, ihrem Sohn jede Information bezüglich des Falls aus der Nase zu ziehen. Schließlich war sie an den Ermittlungen von Anfang an beteiligt, hatte wertvolle Hinweise gegeben und meinte, dass sie deshalb ein Recht darauf hätte, über die neuesten Erkenntnisse informiert zu werden. Wenn sie ihren Sohn allerdings dazu bewegen wollte, ihr etwas über seinen aktuellen Fall zu verraten, dann musste sie mit äußerstem Fingerspitzengefühl an die Sache herangehen.
Gerlinde hatte beschlossen, Georg jetzt doch von dem zweiten Besucher zu erzählen, den sie am Abend vor dem Tod ihrer Nachbarin in deren Zimmer beobachtet hatte. Mental hatte sie sich schon gegen die bevorstehende Moral-Predigt ihres Sohnes gewappnet. Schließlich hatte er die Aktion mit dem Spiegel-Spion auf dem Balkon schon bei ihrem ersten Geständnis nicht gutgeheißen. Darauf konnte sie jetzt aber keine Rücksicht mehr nehmen. Es ging mittlerweile schließlich darum, einen Mörder dingfest zu machen und Wellenstein zu entlasten. Da musste sie ihre persönlichen Befindlichkeiten hintanstellen.
Georg hatte gleich zugesagt , als seine Mutter ihn Anfang der Woche für den Mittwochabend zum Essen eingeladen hatte. Sie hatte versprochen, in ihrem Appartement für ihn zu kochen. Er durfte sich etwas wünschen und hatte nicht lange gezögert und einen Schweinebraten bestellt. Dass dieses Wunschmenü mit Spätzle und Rotkraut auf ihrem kleinen Zweiplattenherd eine echte Herausforderung war, verschwieg sie ihm. Sie freute sich auf den Besuch. Ihr Sohn sollte sich wohlfühlen, schließlich gab es die mütterlichen Kochkünste an diesem Abend nicht umsonst. Aber das würde Georg noch früh genug erfahren.
Seine Mutter war schon immer eine ausgezeichnete Köchin gewesen und Georg hatte sich schon oft gewünscht, dass sie wie früher am Herd stehen würde, wenn er von der Arbeit heimkam und er schnuppernd in die Küche gehen und in die Töpfe schauen könnte. Bei ihm blieb die Küche meistens kalt, seit seine Mutter ins Altersheim gezogen war. Auf den gemeinsamen Abend hatte Georg sich seit Tagen richtig gefreut, weil er ein kulinarisches Highlight versprach und außerdem hoffte er auf den Rat und die Hilfe seiner Mutter.
Das Verhör von Wellensteins Assistent hatte ihn bislang noch nicht weitergeführt. Er kam an den Mann einfach nicht heran. Vielleicht konnte ihm seine Mutter einen Tipp aus dem reichen Schatz ihrer Lebenserfahrung geben. Georg fand es auch schön, a n diesem Abend einmal nicht in eine leere Wohnung zu kommen, sondern erwartet zu werden.
Der Hauptkommissar betrat die Eingangshalle des Gertrudenstifts und hatte insgeheim gehofft, dass die Bewohner alle beim Abendessen oder bereits im Bett wären. Er hatte sich getäuscht und wurde sofort von einem älteren Herrn angesprochen, der auf ihn zukam. Georg wusste, dass der Mann ihm seinen Namen schon einmal genannt hatte, konnte sich aber nicht mehr erinnern. „Schönen guten Abend, Herr Kommissar. Das freut mich, dass Sie mal wieder bei uns vorbeischauen.“
Georg kannte das bereits und es war ihm lästig, dass die Besuche bei seiner Mutter immer mit der Durchquerung des „Haifischbeckens“ beginnen mussten. Der Gang durch das Foyer war nicht zu vermeiden und Georg fühlte
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