Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
Otto aber, der sein Fahrrad bereits durch das Hoftor schob und es innen an die Wand lehnte. Als Gerda im Hof war, schloss er das schwere Eisentor und der Abend nahm seinen Lauf.
„Als erste D isziplin steht mentale Energie auf dem Programm“, ließ Georg seine Teilnehmer wissen. Der Hauptkommissar tippte sich mit dem Finger gegen die Schläfe. „Wenn man hier fit ist, dann kann man es sogar mit einem Gegner aufnehmen, der stärker ist als man selbst.“ Otto lächelte seine Frau an. „Siehst du, Gerda, genau das meinte ich eben.“
Georg wies seine Hausmit bewohner an, sich in einem Kreis aufzustellen und lud Gerda und Otto mit einer Handbewegung dazu ein, sich ebenfalls einzureihen. „Marschieren Sie im Kreis und achten Sie auf Ihre Schritte. Laufen Sie sicher und kraftvoll. Drücken Sie schon durch Ihren Gang aus, dass mit Ihnen nicht zu scherzen ist.“
Gerda musste sich das Lachen verkneifen , als sich die Karawane der Senioren in Bewegung setzte. Die Damen tippelten, als ob sie beim Ballett wären und die Männer versuchten, durch einen Cowboy-Gang oder einen militärischen Stechschritt Entschlossenheit auszudrücken. Georg hob beide Arme. „Stopp, so geht das nicht, meine Herrschaften. Damit laden Sie eher zu Scherzen ein, als dass Sie Selbstsicherheit ausstrahlen. Wir demonstrieren Ihnen das einmal, dann können Sie sich besser vorstellen, was ich meine. Frau König, Herr König, wenn ich Sie jetzt bitten dürfte?“
Gerda und Otto sahen sich fragend an. Sie stellten sich neben Georg, der ihnen das Zeichen für ihren Auftritt gab. Otto schritt raumgreifend aus und nahm die Hände schwungvoll mit. Gerda hielt sich sehr gerade und hatte den Blick fest nach vorn gewandt. Georg lief, wie er immer lief. Nachdem die drei den Hof einmal durchschritten hatten und sich umdrehten, klatschten die Senioren Beifall, was Otto sichtlich freute.
„So, meine Herrschaften, jetzt sind Sie wieder an der Reihe“, forderte Georg die Senioren auf, die sich bereitwillig in Position begaben und einen zweiten Versuch starteten. „Das sieht schon viel besser aus. Ganz gut, Herr Ebert. Sie mac hen das prima! Frau Schäufele, Sie können Ihre Handtasche ruhig locker tragen, nicht verkrampfen. Ja, genau so ist es richtig.“ Georg korrigierte und lobte seine Teilnehmer, die im Kreis liefen und bei jeder Runde einen mutigeren und entschlosseneren Eindruck machten. Als Steigerung hatte sich Georg überlegt, dass die Gruppe laufen sollte und sobald er auf drei gezählt hatte, sollten alle einen Ausfallschritt in die Mitte des Kreises machen und laut Ha rufen. Bei dieser Übung war die anfängliche Schüchternheit schnell überwunden und Gerda staunte, wie entschlossen die alten Damen den imaginären Angreifer in der Mitte angingen. Da würden sich die bösen Buben aber warm anziehen können, wenn alle Rentner durch Georgs Schule gehen würden.
Die Senioren waren von ihrem Erfolg beflügelt und machten sich mit Feuereifer an jede neue Aufgabe, die Georg ihnen stellte. Bei der nächsten Übung bat Georg Otto um seine Unterstützung. „Meine Damen, diese Übung ist speziell für Sie. Mein Assistent, Herr König, wird so freundlich sein und jetzt in die Rolle eines Handtaschenräubers schlüpfen. Sie bewegen sich bitte so natürlich wie möglich hier im Hof und dann, wenn Sie am wenigsten damit rechnen, wird unser Dieb versuchen, Ihnen die Handtasche zu entwenden.“ Die alten Frauen sahen sich freudig erregt an. Sie schienen sich auf die Aufgabe zu freuen und begannen aufgeregt zu kichern und miteinander zu tuscheln. Georg klatschte kurz in die Hände. „Damit es aber nicht zu leicht für Sie wird, spielt Herr König einen Räuber, der auf dem Fahrrad unterwegs ist.“
Gerda und die alten Männer hatten sich an die Seite gestellt und beobachteten , wie die Rentnerinnen im Hof flanierten, jede mit einer Handtasche über der Schulter oder in der Hand. Otto hatte sich startklar gemacht und wartete auf das Signal von Georg. Dann fuhr er zwischen den älteren Damen Slalom und versuchte mal hier und mal dort die Tasche zu entwenden, aber erfolglos. Die Seniorinnen hatten ihre Lektion gelernt und waren stolz auf ihr gutes Abschneiden, das Georg gebührend honorierte.
„Die letzte Übung ist die schwerste, weil Sie jetzt gleich Ihre natürliche Hemmung überwinden müssen. Sie werden etwas tun, was Sie bis jetzt nicht für möglich gehalten hätten. Sind Sie bereit für eine Herausforderung?“ Georg traf genau den Ton seiner
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