Todesgarten
müssen wir denjenigen finden, der diesen Auftrag
ausgeführt hat. Und da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hat er einen
professionellen Killer engagiert. Was ich mir bei ihm allerdings nicht
vorstellen kann.«
»Oder einer aus seinem Umfeld hat die Tat ausgeführt.«
»Genau. Sehen wir uns also zunächst die Leute auf
Strohs Gehaltsliste an. Mich würde interessieren, wer von ihnen Vorstrafen hat.
Wenn wir Glück haben, kommen wir damit schon um einiges weiter.«
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Der Donut-Laden war so gut wie verwaist. Anna trat an
den hell erleuchteten Verkaufstresen. Ein schlaksiger junger Mann mit blassem
Gesicht hockte da und starrte auf den riesigen Bildschirm oberhalb der Theke,
auf dem Musikvideos liefen. Schnelle Bilder, harte Schnitte. Anna sprach ihn
mehrmals an, bevor er reagierte. Mit glasigem Blick erklärte er ihr, welche
Kaffee-Variationen im Angebot waren, machte ihr dann den gewünschten Espresso
und wandte sich wieder dem Monitor zu.
»Wir machen aber gleich zu!«, rief er ihr noch hinterher.
Sie setzte sich an einen Fensterplatz und wandte sich
ihrem Smartphone zu. Also gut. Mal sehen, was ich über dich erfahren kann,
Thomas Bertold Koschnik.
Seinen Namen zu googeln brachte nicht viel, aber damit
hatte sie schon gerechnet. Es war auch nur ein Versuch gewesen. Sie hatte eine
viel bessere Idee. Da war das Datum, an dem er sich krankgemeldet hatte. Der
28. April vor sieben Jahren. An diesem Tag musste Tom beschlossen haben, die
Bank zu verlassen. Sein ganzes Leben zu ändern. Etwas Wichtiges musste da passiert
sein.
Sie rief die Seite einer Tageszeitung auf und gab das
Datum in die Suchmaske des Archivs ein. Auf dem Bildschirm tauchten die
Berliner Schlagzeilen von damals auf. Sie hatte das Gefühl, als würde sie eine
Zeitreise machen. »Kicker vorm Reichstag müssen ab heute Strafe zahlen.« Ach
herrje. Die FuÃballspieler auf der Reichstagswiese. Als sie noch ein Kind
gewesen war, hatte ihr Vater auch ab und zu mitgespielt. Nach Mauerfall und
Regierungsumzug passten die Kicker nicht mehr ins neue Bild vom
Regierungsviertel, und die letzten Unbeugsamen wurden schlieÃlich mit
Geldstrafen davon abgehalten. Das war schon so lange her?
Sie überflog die anderen Schlagzeilen. Ein Gelenkbus
der Berliner Verkehrsbetriebe war entführt worden, auch daran konnte sie sich
noch erinnern. Ein psychisch kranker Libanese hatte die Stadt einen Tag lang in
Atem gehalten. Sie klickte sich weiter durch die Meldungen. Aber nichts davon
hatte einen Bezug zu Toms Leben. Es war ein ganz normaler und wahnsinniger Tag
in der Stadt gewesen. SchlieÃlich gab sie auf.
Sie blickte durch die Fensterfront auf die StraÃe.
Wieso hatte sie immer noch das Gefühl, heute Nacht würde etwas passieren? Das
war doch völliger Unsinn. DrauÃen kam die Stadt zur Ruhe, und selbst hier, am
Potsdamer Platz, verlangsamte sich das Tempo.
Sie zögerte. Dann gab sie das nächste Datum ein, den
29. April vor sieben Jahren. Vielleicht wurde sie hier fündig. In der
Hauptmeldung ging es um den Schweigemarsch der Polizeigewerkschaft, die an die
Tötung eines Berliner Elitepolizisten erinnerte. Er war tags zuvor an einer
Schussverletzung gestorben. Auch daran konnte sie sich noch gut erinnern. Alle
Streifenwagen hatten Trauerflore an ihre Antennen montiert.
Sie überflog die restlichen Artikel, aber sie wurde
nicht fündig. So ein Ausflug in die Vergangenheit mochte ja eine Menge
Erinnerungen wecken, aber er brachte sie kein Stück näher an ihr Ziel.
Mittlerweile war sie alleine im Café. Die letzten
Touristen waren fort. Wahrscheinlich würde der Kellner sie gleich rauswerfen.
Gerade wollte sie den Browser schlieÃen, als sie über eine kleine Meldung
stolperte, ganz am Ende der Liste. »Sexueller Ãbergriff vereitelt.« Mit einem
Stirnrunzeln zoomte sie den Artikel heran. Ein kurzer Text erschien auf dem Bildschirm.
Ein homosexueller Mann wurde
in Schöneberg mit seinem eigenen Messer verletzt, nachdem er sich zwei Jugendlichen
sexuell genähert hatte. Als die 15-jährigen Jungen sein offensichtlich
sexuelles Angebot ausschlugen, wurde er aggressiv und bedrohte sie mit einem
Messer. In der folgenden Kampfhandlung wurde der Angreifer jedoch selbst
verletzt und mit einer Stichverletzung ins Krankenhaus eingewiesen.
Anna spürte ihren Herzschlag. War das Tom? Im Archiv
gab es nur diese kurze Meldung, sonst nichts.
Sie klickte sich zur
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