Todesgarten
Seite eines Berliner
Boulevardblatts und gab dort das Datum und ein Stichwort ein. Sofort tauchte
der passende Artikel auf.
Sex-Gangster ins Krankenhaus
eingeliefert. â Schöneberg. Für den Homosexuellen Thomas K. (22) hat
das vergangene Wochenende mit einer für ihn bösen Ãberraschung geendet.
Offenbar rechnete er nicht mit Gegenwehr, als er sich zwei Teenagern auf der
Martin-Luther-StraÃe sexuell näherte. Doch die beiden 15-Jährigen drehten
beherzt den Spieà um. » Wir lassen uns das nicht
gefallen « , so Tobias L., einer der Jungen, nach dem
Ãbergriff. »Wenn uns Männer anfassen, dann wehren wir uns.« Als der Angreifer
aus Frust das Messer zückte, drehten sie den Spieà um. Sie nahmen ihm seine
Waffe ab und versuchten ihn von sich fernzuhalten. Im folgenden Handgemenge
stach einer der Jungen zu. Für Thomas K. endete der Ãbergriff im Krankenhaus,
wo seine Stichverletzung behandelt wurde. Damit hatte der Sex-Gangster wohl
nicht gerechnet. Das Gute daran: In Zukunft wird er es sich zweimal überlegen,
minderjährige Jungen auf der StraÃe anzusprechen.
Anna lehnte sich zurück. Thomas Bertold Koschnik â wer
bist du überhaupt? Sie betrachtete nachdenklich den Artikel. War das der Mann,
den sie zu lieben glaubte? Sie dachte an die Narbe auf seinem Rücken, einen
Fingerbreit oberhalb der Hüfte. Ob sie durch die Stichverletzung entstanden
war?
Hatte er deshalb bei der Sparkasse gekündigt? Aus
Angst, diese Geschichte würde herauskommen und ihn dann ohnehin den Job kosten?
Wollte er verhindern, dass schmutzige Wäsche gewaschen wurde? Den anderen mit
seiner Kündigung zuvorkommen? Aus den Meldungen ging nicht hervor, welche Rolle
die Polizei dabei gespielt hatte. Sie würde versuchen, das herauszufinden. Aber
nicht mehr heute, das musste bis zum nächsten Morgen warten, wenn sie wieder
auf der Wache war.
Sie klickte sich durch die folgenden Tage, um mehr
über die Geschichte herauszufinden. Aber nichts. Von Polizeigewahrsam und
Gerichtsterminen war nirgendwo die Rede. Trotzdem. Dieser Vorfall hatte sie in
ihrem Entschluss bestärkt. Sie konnte das nicht auf sich beruhen lassen, egal
was sie für Tom empfand.
Sie schloss den Browser und ging in ihr Telefonbuch.
Die Nummer von Michael Schöne hatte sie zwar zu Hause liegen lassen, doch das
war kein Problem, denn die Durchwahl der sechsten Mordkommission, oder zumindest
die ihres Leiters Wolfgang Herzberger, war noch immer in ihrem Handy eingespeichert.
Herzberger hatte damals darauf bestanden, dass sie seine Nummer abspeicherte.
Damals hatten sie bei einer Ermittlung zusammengearbeitet, und sie sollte ihn
jederzeit erreichen können. Danach hatte sie vergessen, seine Nummer wieder zu
löschen.
Sie sah auf die Uhr. Einen Versuch wäre es zumindest
wert. Wenn Herzberger noch im Büro wäre, würde er ihr Schönes Privatnummer ohne
Umschweife geben, da war sie ganz sicher. Die Kommission steckte gerade mitten
in den Ermittlungen, da konnte es abends schon mal spät werden.
Und tatsächlich. Nach dem zweiten Läuten wurde abgenommen.
Es wurde also noch gearbeitet bei der Mordkommission.
»Koch«, meldete sich eine männliche Stimme.
»Entschuldigung. Ist das nicht der Apparat von Wolfgang
Herzberger?«
»Der ist gerade nicht da. Kann ich Ihnen helfen?«
»Mein Name ist Proschinski. Ich bin Polizeimeisterin im
Abschnitt 32.« Ein Krankenwagen raste mit Blaulicht und Martinshorn an der
Glasfassade des Cafés vorbei. Sie wandte sich ab und hielt sich das freie Ohr
zu. »Entschuldigen Sie die späte Störung. Ich möchte eigentlich Kontakt zu
Michael Schöne aufnehmen, deshalb rufe ich Herrn Herzberger an. Aber vielleicht
können auch Sie mir sagen, wie ich ihn erreiche?«
»Michael Schöne ist im Urlaub. Der kommt erst in zwei Wochen
wieder. Ist es denn dringend?«
»Er ist im Urlaub? Seit wann?«
Sie hatte ihn doch am Samstagabend im Kink Klub getroffen.
Da sah es noch aus, als steckte er mitten in den Ermittlungen. Wie sollte er
da â¦
»Seit letzten Freitag. Möchten Sie vielleicht mit
jemand anderem aus der Kommission sprechen? Oder geht es um etwas Privates?«
»Nein, nein, das nicht. Aber egal. Vergessen Sieâs einfach.«
Sie zögerte. »Herr Herzberger ist nicht im Haus, oder?«
»Doch, doch, er kommt gerade rein. Einen Moment.«
Ein dumpfer Laut, als der Hörer
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