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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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müde aus. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sie für leicht verkatert halten. Sie ist etwas verlegen, aber ihr Gesicht leuchtet hintergründig. Dann sehe ich, dass sie unter der Daunenjacke immer noch den Anzug und das weiße Hemd von gestern Abend anhat. Nur die Krawatte ist verschwunden.
    »Aber hallo«, sage ich, »du kommst ja jetzt erst nach Hause!«
    Ich schaue auf die Uhr. Es ist zwei Uhr mittags.
    Ich setze eine strenge Zuchtmeistermiene auf. »So geht das aber nicht! Ein derartiges Verhalten können wir in dieser Wohngemeinschaft nicht tolerieren. Hier gelten gewisse Ausgangs- und Verhaltensregeln. Die müssen strikt befolgt werden!«
    Sie grinst nur.
    »Bist du abgestürzt?«
    Ihr Grinsen wird breiter.
    »Komm, erzähl’s dem Papa!«
    Jóa sagt nichts, macht aber ein verträumtes Gesicht.
    »Mit wem?«
    Sie ist ein bisschen beschämt.
    Ich mustere sie von Kopf bis Fuß.
    Sie möchte mir etwas sagen, bringt es aber nicht fertig.
    Ich mustere sie weiter.
    Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte es gestern Abend schon zu etwa 15 Prozent gespürt, es aber mit meinem 85-prozentigen Wunschdenken verdrängt.
    »Aðalheiður Heimisdóttir, die Chefredakteurin der
Akureyri-Post!
«
    Sie nickt.
    »Holy Ravioli!«
    Sie grinst wieder.
    »Und ich Blödmann hab mir Hoffnungen gemacht«, sage ich und spüre, wie sich meine Verwunderung, Verlegenheit und Demütigung im Angesicht von Jóas glückstrahlenden Augen verflüchtigen.
    »Das war mir klar«, sagt Jóa, steht auf und legt ihre Hand liebevoll auf meine Schulter. »Und es tut mir total leid, wenn du denkst, ich hätte sie dir weggeschnappt. So war es nämlich nicht.«
    »Natürlich nicht, Jóa«, sage ich, stehe auf und nehme sie in den Arm. »Ich hatte ja gegen eine Frau wie dich überhaupt keine Chance.«
    Wir fangen beide an zu lachen.
    »Ihr kanntet euch schon vorher«, stelle ich fest.
    »Heiða war ein paarmal bei schwul-lesbischen Partys in Reykjavík. Da haben wir uns zwar gesehen, aber kennengelernt haben wir uns erst hier.«
    »Und wenn du durch die Stadt spaziert bist, um Fotos zu machen, oder ins Kino gegangen bist oder was auch immer, hast du sie dann in Wirklichkeit getroffen?«
    »Nein«, entgegnet Jóa pikiert. »Ich war mit ihr im Kino, aber da ist nichts weiter gelaufen. Erst gestern Abend. Ich würde dich doch niemals anlügen, Einar.«
    »Aber sie hat sich bisher hier im Nordland noch nicht geoutet, oder was?«
    »Nein. Sie hat sich bis jetzt noch nicht getraut. Wegen der Zeitung. Wegen der Kontakte. Der Werbekunden. Der Leser.«
    »Geheimnisse und Lügen, Jóa. Homosexualität, Herkunft, Gesichtsfarbe, Nationalität, Religion. Bei diesen Dingen verwechseln die Leute oft das Nebensächliche mit dem Hauptsächlichen. Warum auch immer.«
    »So ist es nun mal. Sogar heute noch.«
    »Und da war es euch lieber, einen alten Kerl mit am Tisch zu haben? Damit keine Missverständnisse aufkommen? Um Heiða nicht in Schwierigkeiten zu bringen?«
    Jóa schüttelt den Kopf. »Nein, nein, nein. Unterschätz dich nicht immer so, Einar. Deine Gesellschaft ist keineswegs unerwünscht. Jedenfalls nicht, wenn du gutgelaunt bist.«
    Ich zünde mir eine Zigarette an; ich finde mich schon lange nicht mehr gutgelaunt, doch ich lasse die Sache ruhen. »Aber als ihr euch gestern Abend vor dem Restaurant zugenickt habt, hattet ihr euch da schon verabredet?«
    »Einar, manchmal muss man nichts sagen. Manche Dinge spürt man einfach.«
    »Stimmt. Du sagst es. Ich bin spezialisiert darauf, Dinge zu spüren.«
     
    Obwohl die nächste Ausgabe des
Abendblatts
erst am Dienstag nach Ostern erscheint, begebe ich mich kurz nach dem Nachmittagskaffee in den Schrank. Nicht aus Pflichtbewusstsein, sondern aus purer Neugier.
    Jóa und ich waren an einem passenden Ort Kaffee trinken: bei Amor, dessen Pfeil meine Freundin getroffen hat. Dort hatte man Tische und Stühle nach draußen in die Sonne gestellt.
    Die Stadt erstrahlte. Der Rathausplatz war voller Leben und guter Laune. Die Kinder sausten auf ihren Skateboards hin und her wie Kälbchen im Frühling und plumpsten dabei munter auf den Hosenboden. Aus unerfindlichen Gründen waren viele junge Mädchen mit Kinderwagen und Buggys unterwegs, alle offenbar nach der neuesten Frühjahrsmode gekleidet und die meisten mit so tiefen Ausschnitten, dass Jóa und ich meinten, ihre jungen Brüste in fieberndem Verlangen beben zu sehen, wie ein Dichter einst schrieb. An den Nachbartischen saßen die romantischen

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