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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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ist.
    »Wenn neue Informationen vorliegen«, antwortet der Hauptkommissar trocken. »Die Ermittlungen laufen. So schnell wie möglich. Vielen Dank.«
    Ólafur Gísli will gerade wieder unter der gelben Absperrung hindurchkriechen, als die Reporter vom Ersten Programm und von Sjón 2, die während seiner Darlegung zu der Gruppe gestoßen waren, auf ihn zuhechten.
    Sie bestehen auf Einzelinterviews vor der Kamera. Ólafur Gísli willigt zögernd ein. Ich warte noch ein bisschen, während die Interviews gemacht werden, aber er fügt nichts Neues mehr hinzu.
    Einige Reporter, darunter die Chefredakteurin der
Akureyri-Post
, sind bereits gefahren, als Jóa und ich uns am Auto treffen.
    »Was ist zu tun?«, fragt sie.
    »Wir können nicht viel tun. Keine Ausgabe vor Dienstag. Ich fahre dich, wohin du willst. Genieß das Leben.«
    Sie schaut mich lächelnd an und bekommt wieder diesen verträumten Gesichtsausdruck.
     
    Ich muss wohl kaum betonen, was Jóa, so wie die Dinge liegen, darunter versteht, das Leben zu genießen. Und, so wie die Dinge liegen, fällt mir nichts Besseres ein, als in die Niederlassung des
Abendblatts
am Rathausplatz zu fahren. Dort sitzt Ásbjörn am Computer und zuckt zusammen, als ich gegen den Türrahmen klopfe. Hastig schließt er die Website, die er soeben betrachtet hat, aber ich kann gerade noch ungeheuerliche Sexbilder mit Monsterpenissen, Riesenbrüsten und gespreizten Beinen erkennen.
    Ich tue so, als sei nichts gewesen. »Alles klar?«
    »Alles in Ordnung«, antwortet er mit geröteten Wangen und gespielter Lässigkeit.
    »Wo sind denn Karó und Snúlli?«
    »Haben sich hingelegt«, sagt Ásbjörn.
    »Ich hab deinen Freund, Hauptkommissar Ólafur Gísli getroffen.«
    »Hm, ja, ja, wie habt ihr euch denn verstanden?«, fragt er, wobei sich ein Schmunzeln auf seinem roten Gesicht ausbreitet.
    »Erst wollte er mich verunsichern, was ihm auch gelungen ist. Aber dann sind wir ganz gut miteinander klargekommen.«
    »Das ist schön.«
    »Ja. Das ist sehr schön. Und im Grunde unbezahlbar, Kontakt zum ansässigen Polizeihauptkommissar zu haben. Vor allem jetzt, nach der Vermisstenmeldung und dem Leichenfund.«
    »Nur blöd, dass wir erst in zwei Tagen wieder erscheinen«, sagt der alte Ressortleiter und reibt sich die Hände. »Wirklich Pech.«
    »Danke, Ásbjörn, dass du ein gutes Wort bei ihm für mich eingelegt hast.«
    »Keine Ursache.«
    »Du hättest das nicht tun müssen. Erinnerst du dich an den alten Film
Casablanca

    Ásbjörn macht einen verständnislosen Gesichtsausdruck. »Weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich mich an den erinnere. Warum?«
    »Da geht es um zwei Männer, die sich lange Zeit streiten und einander misstrauen. Aber kurz vor Ende des Films sagt der eine zum anderen: ›Das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.‹ Erinnerst du dich?«
    »Ja, dunkel.« Die Verwunderung in seinem Gesicht weicht langsam einem gewissen Verständnis. »Worauf willst du hinaus?«
    »Ach, nichts«, sage ich lächelnd. »Obwohl – vielleicht, dass es wichtig ist, dass sich Personen in Kinofilmen miteinander versöhnen, bevor der Film zu Ende ist.«
    Oder wie endete noch mal
Ein seltsames Paar
?
     
    Ich blicke aus dem Fenster auf den Giebel des Nachbarhauses. Dann nehme ich den Hörer und wähle die im Radio bekanntgegebene Nummer des Regisseurs Örvar Páll Sigurðarson. Er ist ein namhafter Schauspieler um die fünfzig, der aber in den letzten Jahren auf den Bühnen in Reykjavík nicht mehr sehr präsent war. Je älter und fetter er wurde und je mehr Haare er verlor, desto stärker wurde er auf Komödien und Lustspiele festgelegt. Als ich ihn in Hólar interviewte, wirkte er auf mich wie ein Mann, der die Rolle des Clowns nicht ablegen kann und selbst zu einem halben Clown geworden ist. Er versuchte ständig, witzig zu sein, war es aber nicht. Der gräuliche Bart bedeckte zwar die Hälfte seines rundlichen Gesichts und seinen femininen Schmollmund, ließ ihn jedoch weder intelligenter aussehen, noch verbarg er seine rote, geäderte Nase.
    »Gott war nie gut zu den Armen«, war der schlaueste Kommentar, der ihm an jenem Tag einfiel. Es war seine Antwort auf die Frage, warum er den Job hier oben im Nordland angenommen habe. Er ist bestimmt ein besserer Regisseur als Komiker, dachte ich daraufhin und denke es immer noch. Und wie alle Leute in solchen Interviews fand er es großartig, mit diesen energiegeladenen Jugendlichen an einem so aufregenden Stück zu arbeiten.

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