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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Páll mustert mich erstaunt. »Weißt du das nicht? Erinnerst du dich nicht an
Ritter der Straße

    »Ritter der Straße?«,
frage ich und scanne mein Gedächtnis.
    »Der Kinder- und Jugendfilm.«
    »Ich weiß nicht, ob ich mich an den erinnere«, plappere ich Ásbjörn nach.
    »Skarphéðinn hat die Hauptrolle gespielt.«
    »Wie lange ist das her?«, frage ich und schäme mich dafür, mich nicht an
Ritter der Straße
erinnern zu können.
    »Ungefähr fünf Jahre. Skarphéðinn war erst vierzehn oder fünfzehn, glaube ich.«
    »War er ein Kinderstar?«
    »Ein Kinder- und Jugendstar«, sagt Örvar Páll. »Wenn der Stimmbruch und die Schamhaare kommen, sind die Jahre der Unschuld vorbei, nicht wahr?«
    »Ich hab mal gelesen, dass Kinder, die schon in jungen Jahren berühmt werden, später Probleme bekommen, wenn sie nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen.«
    »Zu viel, zu früh«, sagt er lächelnd. »Ja, dafür gibt es ein paar Beispiele.«
    »Glaubst du, dass Skarphéðinn ein solches Beispiel ist?«
    »Ich weiß nicht. Wie du schon sagtest, wirkte er sehr entschlossen und reif.«
    »Ich hab gesagt, er kam mir selbständig und reif vor. Entschlossen hast du gesagt.«
    Er zuckt mit den Schultern.
    »Hat er denn nur bei diesem einen Film mitgespielt? Bis jetzt, bis zu
Loftur, der Magier

    »Soweit ich weiß, ja. Aber ich kenne seinen Lebenslauf nicht genau«, erklärt der Regisseur und leert Bierflasche Nummer zwei. »Hab ihn erst vor drei Wochen kennengelernt, wie die anderen Jugendlichen vom Schultheaterverein auch.«
    »Hast du in
Ritter der Straße
mitgespielt?«
    Örvar Páll dreht die leere Bierflasche in seinen Händen. »Ja, ich hatte aber nur eine kleine Nebenrolle. Hab einen Polizisten gespielt, glaube ich.«
    Das ist ja merkwürdig, denke ich. »Aber du hast doch gerade gesagt, du hättest Skarphéðinn erst jetzt kennengelernt. Bei den Proben hier in Akureyri.«
    Er beißt sich auf den Schmollmund. Seine ganze künstliche Heiterkeit ist verflogen. »Das ist Wortklauberei«, sagt er. »Ich hab gesagt, ich hab ihn jetzt erst kennengelernt. Ich bin ihm ein einziges Mal vor sechs Jahren bei den Filmaufnahmen begegnet.«
    Ich schaue ihn forschend an, so gut ich kann, mit scharfem Blick wie Hauptkommissar Ólafur Gísli.
    »Hör zu«, sagt er. »Du hast mich getroffen. Zweimal. Aber würdest du sagen, du hättest mich kennengelernt?«
    »Okay«, sage ich. »Verstehe.«
    »Dann ist ja alles klar«, sagt Örvar Páll und schlägt sich auf den schwabbeligen Oberschenkel. »Sonst hätte ich den Kellner gerufen und mir ein Telefonbuch bringen lassen.«
    »Warum?«
    »Um mir einen billigen Rechtsanwalt zu suchen.« Örvar Páll ist wieder ganz er selbst.
    Ich versuche zu lächeln, rufe den Kellner, und anstatt eines Telefonbuchs bestelle ich noch ein Bier für meinen Gesprächspartner. »Ist dir an Skarphéðinn irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen, bevor er verschwunden ist?«
    »Schwer zu sagen«, entgegnet er und nimmt die dritte Bierflasche in Empfang. »Außerhalb der Proben hatte ich ja nicht viel mit den Kids zu tun.«
    »Und die Generalprobe am Mittwoch hat gut funktioniert?«
    »Wie das halt immer so ist. Hier und da ein paar Patzer. Vergessener Text, vermasselte Bewegungen, falsche Scheinwerfer und so weiter. Nach der Probe sind wir alles noch mal durchgegangen. Ich hatte den Eindruck, dass alle gut auf die Premiere vorbereitet waren.«
    »Warst du nach der Generalprobe bei der Party hier in Akureyri?«
    »Hab nur mal kurz vorbeigeschaut. Hab zwei Bier getrunken und bin dann ins Hotel schlafen gegangen. Selbstverständlich war ich entschieden dagegen, dass die Kids am Tag vor der Premiere eine Party feiern, aber ich hab die Polizei nicht eingeschaltet.«
    »Wo fand die Party denn statt?«
    »Zu Hause bei Ágústa, der Vorsitzenden des Theatervereins.«
    »Wie hat sich Skarphéðinn da verhalten?«
    Örvar Páll Sigurðarson leert Bierflasche Nummer drei. »Er kam erst kurz bevor ich gegangen bin. So gegen zehn.«
    »Und?«
    »Er kam mir stocknüchtern vor. Aber …«
    Er verstummt und schaut in seine Bierflasche.
    »Aber was?«
    »Er hatte ein Kleid an.«
     
    In den Abendnachrichten im Fernsehen und in der Sonntagsausgabe des
Morgenboten
gibt es nichts Neues über den Leichenfund auf dem Schrottplatz von Akureyri oder über das Verschwinden von Skarphéðinn Valgarðsson.
    Stattdessen wird berichtet, dass in Reyðargerði am Ostermontag eine öffentliche Veranstaltung mit den führenden

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