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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Aber ich hab keine Lust, mich weiter über deinen Selbstzerstörungstrieb zu ärgern, solange du uns damit in Ruhe lässt.«
    »Okay, okay«, sage ich und stecke die Zigarette in meine Brusttasche. »Gut gedacht ist halb gemacht.«
    »Und ich werde mich nicht zu der Ressortleitergeschichte äußern. Du weißt, dass es dabei nicht korrekt zuging.«
    »Ehrenhaftigkeit ist heutzutage in der Businesswelt nicht mehr gefragt, Ásbjörn. Das solltest du doch wissen.«
    Er schnaubt.
    »Eins kann ich dir versprechen«, redet er weiter, »dass ich mir vorgenommen habe, allen zu beweisen, wie ungerecht die Sache war. Ich werde hier im Nordland erfolgreich sein.«
    »Hannes hat mir erzählt, wir wären schon erfolgreich. Die Zeitung verkauft sich hier schon viel besser, sowohl im Handverkauf als auch bei den Abos. Und die Anzeigenabteilung in Reykjavík hat eine verstärkte Nachfrage aus Akureyri festgestellt.«
    Ásbjörn rutscht auf seinem Stuhl hin und her. »Das weiß ich sehr gut.« Dann schaut er mich mit entschlossenem Gesichtsausdruck an. »Und diese Entwicklung muss weitergehen.«
    Mir wird plötzlich klar, dass Ásbjörn Grímsson nicht so dumm ist, wie er aussieht.
    Er hilft mir, damit ich ihm helfe.
    Und Hauptkommissar Ólafur Gísli Kristjánsson begleicht mit demselben Vorsatz eine alte Schuld: Er hilft mir, damit ich Ásbjörn helfe, sich selbst zu helfen.
     
    Durch den Qualm in meinem Räucherschrank schweben konzentrierte Gedanken.
    Wo bekomme ich Informationen über die letzten Stunden von Skarphéðinn Valgarðsson? Ich bin nicht scharf darauf, seine Familie zu kontaktieren. Da er nicht mehr zu Hause gewohnt hat, wäre das wahrscheinlich sowieso nicht sehr ergiebig. Ich habe zur Zeit keine andere Wahl, als mit Ágústa Magnúsdóttir, der Vorsitzenden des Schultheatervereins, anzufangen.
    Aber erst muss ich mich noch zu einem anderen Telefonat durchringen.
    »Trausti.«
    »Grüß dich. Einar aus Akureyri.«
    »Hallo, mein Freund.«
    »Ich wollte mich nur vergewissern, ob wir uns darüber einig sind, dass ich mich in den nächsten Tagen auf die Sache mit Skarphéðinn konzentriere und den Kleinscheiß erst mal liegenlasse.«
    »Kommt drauf an, was du unter Kleinscheiß verstehst. Aber die Geschichte steigert den Verkauf, daher kannst du das machen, solange nichts Wichtigeres anfällt.«
    »Okay.«
    »Was willst du morgen bringen?«
    »Weiß ich nicht. Ich versuche rauszukriegen, was der Verstorbene gemacht hat, bevor er in der Nacht zum Gründonnerstag verschwunden ist.«
    »Gefällt mir.«
    »Aber damit ist nicht gesagt, dass ich für die morgige Ausgabe ein vollständiges Bild parat habe.«
    »Doch, doch, das schaffst du schon. Und vergiss die polizeilichen Ermittlungen nicht. Obduktion. Tatort. Et cetera.«
    Selbst et cetera, du Blödmann.
     
    Das Energiebündel Ágústa wirkt nicht mehr so fidel wie bei der Probe in Hólar. Sie wohnt bei ihren Eltern in einem alten, ziemlich heruntergekommenen Einfamilienhaus in einer der kleinen Nebenstraßen der Strandgata.
    Als sie mir am Küchentisch mit Plastikplatte gegenübersitzt, ein Glas Wasser vor sich, scheint sie in der grauen Abenddämmerung um ein paar Jahre gealtert zu sein. Die Sommersprossen, die ihr Gesicht so lebendig machten, sind jetzt fahl und lösen sich in der Blässe fast auf.
    »Wie geht es dir?«, ist die erste Frage, die mir in den Sinn kommt.
    »Schlecht, danke der Nachfrage«, antwortet sie mit dünner Stimme. »Hab seit drei Nächten nicht mehr geschlafen.«
    »Bekommt ihr Schüler nicht irgendeine psychologische Betreuung?«
    »Doch. Wer will, schon. Das läuft über die Vertrauenslehrer.«
    »Und taugt das nichts?«
    »Ich hab’s nicht in Anspruch genommen. Noch nicht. Ich bezweifle, dass psychologische Betreuung den Schock ersetzen kann.«
    »Ersetzen? Soll sie euch nicht viel eher helfen, den Schock zu überwinden, als ihn zu ersetzen?«
    »Ach, ich weiß auch nicht«, sagt sie und legt ihren kurzgeschorenen Kopf auf den Tisch. »Manchmal glaubt man, dass ein Schock eben einfach dazugehört. Dass er eine wichtige, sogar wertvolle Lebenserfahrung ist, die man nicht schmälern sollte und aus der es keine einfachen Auswege gibt. Ich weiß nicht.«
    Ich schaue mich um. »Du wohnst hier bei deinen Eltern?«
    Sie nickt mit dem Kopf auf dem Tisch.
    »Sind sie beide arbeiten?«
    »Mein Vater fährt zur See, und meine Mutter macht Schichtarbeit. Sie bedient tagsüber in einer Bäckerei und schrubbt abends und nachts Fußböden in

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