Todeshaus am Deich
verschwand.
Seeligs Kopf war
hinter der Zeitung mit den großen Buchstaben im Titel verschwunden, während der
Kapitän mit flinken Augen, die unter seinen buschigen Brauen halb verdeckt
waren, das Geschehen in der Eingangshalle beobachtete. Mit einem angedeuteten
Nicken grüßte er Christoph, als dieser auf die beiden Männer zutrat, die es
sich in den breiten Sesseln bequem gemacht hatten.
»Moin«, erwiderte
Christoph den Gruß, während Seelig weiter in der Zeitung blätterte. Erst als
Thordsen das Papier zur Seite drückte, blickte Seelig auf, bemerkte Christoph,
nickte kurz, und widmete sich dann wieder seiner Lektüre.
»Der ist
schwerhörig«, erklärte der Kapitän und zeigte mit dem Daumen auf seinen
Nachbarn.
»Herr Seelig«,
sprach Christoph ihn an. Der Mann reagierte aber erst, als ihn Thordsen erneut
anstieß.
»Hähh?«
Der Kapitän machte
mit seiner Hand eine Drehbewegung am Ohr.
»Der schaltet
manchmal sein Hörgerät ab, wenn er Ruhe haben möchte oder ungestört lesen
will«, erklärte Thordsen.
Fast ein wenig
unwirsch legte Seelig die Zeitung auf seinen Knien ab und griff sich ans Ohr.
»Was’n los?«
»Haben Sie von der
Verwüstung in der Küche gehört?«, fragte Christoph.
Seelig nickte und
griente dabei wie ein Lausbub.
»Klar. Da hat jemand
ordentlich sauber gemacht.«
»Waren Sie das?«
Jetzt lachte der
alte Mann schallend auf und sah seinen Kumpan von der Seite an.
»Ich? Wie kommen Sie
darauf?«
Christoph ließ
seinen Blick zwischen Seelig und dem Kapitän hin und her wandern.
»Es hätte ja sein
können, dass Sie mit Herrn Thordsen gewettet haben, dass Sie Chaos in der Küche
veranstalten.«
Seelig spielte den
Entrüsteten. »Aber Herr Kommissar. Wo denken Sie hin? So etwas würden wir
beiden nie machen.«
Die beiden Männer
sahen sich an und begannen, wie zwei Teenager zu gackern.
»Wir bekommen das
heraus, indem wir Ihre Fingerabdrücke nehmen und mit den Spuren in der Küche
vergleichen«, drohte Christoph. In den Jahren der Zusammenarbeit mit Große
Jäger hatte er vom Oberkommissar gelernt, dass man in manchen Situationen mit
solchen Sprüchen durchaus weiterkam.
Der Kapitän streckte
Christoph beide Hände entgegen. Einen Herzschlag später folgte Seelig dem
Beispiel Thordsens.
»Tun Sie das. So was
hab ich noch nie erlebt«, freute sich Seelig.
Christoph winkte ab.
Im sonst wohl eher tristen Alltag der beiden würde eine solche Aktion eine
willkommene Abwechslung sein. Da musste man sich anders herantasten. Er
erinnerte sich, dass Kapitän Thordsen seinem Freund Seelig einen Stapel
Geldscheine überreicht hatte, als Christoph den beiden in der Innenstadt
gefolgt war. War das vielleicht ein »Honorar« dafür, dass Seelig zur
Erheiterung der Senioren allerhand Unfug anstellte?
Christoph beugte
sich zu den beiden Männern hinab, nicht ohne sich zuvor noch einmal durch einen
Rundblick zu vergewissern, ob ihnen jemand lauschte.
»Ganz im Vertrauen«,
flüsterte Christoph. »Haben Sie einen Verdacht, wer Sie und die anderen
Bewohner durch das Verstreuen von ätzenden Reinigungsmitteln gesundheitlich
schädigen wollte? Ich frage Sie beide – so unter uns. Das muss ja niemand
mitbekommen.«
Seelig legte die
Hand hinters Ohr. »Hähh?«
Anscheinend hatte er
sein Hörgerät nicht so eingestellt, dass er Christophs Flüstern verstehen
konnte.
Der Kapitän
wiederholte daher Christophs Frage, bediente sich dabei aber einer Lautstärke,
dass Christoph glaubte, die Menschen rund um die Tine auf dem Marktplatz hätten
es auch hören können.
»Ja, natürlich. Das
kann nur der Rammler gewesen sein«, antwortete Seelig mit einem treuherzigen
Augenaufschlag.
»Wie kommen Sie
darauf?«
»Ich habe so etwas
gehört«, murmelte Seelig.
Christoph musste ein
Schmunzeln unterdrücken. Leise gesprochene Fragen verstand der Mann nicht, aber
wer den Unfug im Seniorenheim veranstaltet hat, wollte er gehört haben.
»Was haben Sie
eigentlich vor Ihrer Pensionierung gemacht?«, fragte Christoph Seelig.
Der sah ihn mit
großen Augen an.
»Er will wissen, was
du früher gearbeitet hast«, half der Kapitän nach.
»Ach – gearbeitet.
Ich war Tischler.« Dann grinste Seelig. »Sie hab’n ja keine Ahnung, was ich
gehobelt hab. Mann, da sind ‘nen Haufen Späne übrig geblieben in meinem Leben.«
Er schlug sich vor
Vergnügen auf die Schenkel und schrak zusammen, als die Zeitung, die er dort
abgelegt hatte, ein lautes Knittergeräusch abgab.
Nun stimmte auch der
Kapitän in
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