Todeshaus am Deich
war
Christophs Kommentar. Er versprach, zur Seniorenresidenz zu kommen.
Große Jäger war
tödlich beleidigt, als Christoph ihm klarmachte, dass er allein fahren würde
und der Oberkommissar die Zeit besser nutzen sollte, indem er ausstehende
Berichte schrieb, damit andere Vorgänge endlich abgeschlossen werden konnten.
Als Christoph seinen
privaten Volvo-Kombi direkt vor dem Eingang parkte, blickte der Hausmeister in
seinem blauen Kittel auf. Dann erkannte er Christoph und stützte sich auf
seinem Besen ab.
»Na? Sie scheinen
hier ja eine Filiale aufgemacht zu haben.«
Christoph steuerte
auf den Mann mit dem freundlichen Zug um die Augen zu.
»Es gibt durchaus
noch einige andere Kunden, aber bei denen ereignen sich derzeit nicht so
weltbewegende Dinge wie hier.«
Der Hausmeister fuhr
sich mit dem linken Ärmel unter der Nasenspitze entlang.
»Was an den
Gerüchten um den alten Schüttemann dran is, versteh ich ja nich. Aber das
andere is doch nur ‘n Joke. Das sind die Vergnügungen von den alten Leuten. Die
haben doch sonst kein’ Spaß mehr. Da wird die Küche eben ‘nen büschen gewischt,
und fertig is die Laube.«
»Sie sind Herr …?«,
fragte Christoph.
Jetzt lachte der
Mann herzhaft.
»Herr is gut. Alle
nenn mich immer nur Gerd. Gerd, kannst du mal dies tun, Gerd, tu mal das. Gibt
auch ‘nen paar Zurückhaltendere. Die sagen nich Du, sondern Sie. Aber das stört
mich nich.«
»Herr Gerd, darf ich
trotzdem Ihren Zunamen erfahren?«
Erneut lachte der
Hausmeister. Es war ein fröhliches Lachen.
» Herr Gerd!
Köstlich! So hat mich noch keiner genannt.« Er streckte Christoph die Hand hin.
Der Mann hatte einen kräftigen Händedruck.
»Gerd Langdorff«,
stellte er sich vor. »Sagen Sie man ruhig auch Gerd zu mir.«
»Haben Sie etwas von
Frau Beckerlings Verschwinden mitbekommen?«
Schlagartig
veränderte sich der Gesichtsausdruck des Hausmeisters. Er zeigte jetzt eine
ernste Miene.
»Da kann ich nich
viel zu sagen. Ich krieg ja die Sachen nur so am Rande mit.« Er sah versonnen
an Christoph vorbei über die weite Marsch Richtung Deich. »Is ‘ne feine Frau.
Ich mag sie gern. Die hatte ja nich mehr viel. Ihr Fernsehn und manchmal ‘nen
klein Schnack mit ein von den annern Alten. Ich weiß auch nich, warum sich
keiner so richtig mit ihr unterhalten wollte.«
»Hatte Frau
Beckerling außer ihrer Nichte auch anderen Besuch?«
Gerd überlegte einen
Moment.
»Nee, hab nie ‘nen
annern gesehn. Sonst war keiner bei ihr. Darum hat sie ja auch mehrfach inne
Woche nach mir gefragt. Ich musste ihr dann immer den Fernseher neu einstelln.
›Frau Beckerling‹, habe ich zu ihr gesagt, ›Sie dürfen nicht an den Knöpfen
drehen. Sie können mit Ihrer Fernbedienung alle Programme empfangen.‹ Dabei hat
sie doch immer nur zwei Sender gesehen. ZDF und NDR . Alles andere
interessierte sie nich mehr. Und dennoch hat sie ständig die Einstellung
verändert. Dagegen war kein Kraut gewachsen. Aber sonst war sie eine
liebenswürdige alte Dame.«
»War? Noch wird sie
nur vermisst.«
»Nun ja, das sagt
man so. Aber warten Sie mal. Mit dem Kubelka hatte sie immer Stress. Der mochte
sie nich. Warum, kann ich nich sagen. Dafür is sie manchmal mit dem Baron weg
gewesen. So kleine Tour’n im Auto. Ach ja. Schwester Regina hat sie auch
geleg’ntlich mal mitgenomm’n. Woll’n Sie sonst noch was wiss’n?«
»Welche
Anstrengungen hat das Heim unternommen, um nach Frau Beckerling zu suchen?«
Der Hausmeister
kratzte sich am Kopf.
»Von ‘ner großen
Suchaktion hab ich nix mitgekriegt. Ich selbst war aufm ganzen Gelände
unterwegs und hab auch die technischen Nebenräume wie Heizung und Lager
kontrolliert. Die sind sonst immer abgeschlossen. Leider hab ich nix entdeckt.«
Christoph bedankte
sich und ließ den Hausmeister stehen. Hinter seinem Rücken hörte er das
kratzende Geräusch der harten Borsten auf dem Pflaster, als der Mann seine
Tätigkeit wiederaufgenommen hatte.
Christoph wollte
zuerst die Küche aufsuchen und mit der Babuschka sprechen, bevor er sich die
Litanei von allem Übel, das über der Seniorenresidenz in der jüngsten Zeit
ausgeschüttet wurde, von Brodersen vorbeten ließ.
Unschlüssig stand er
eine Weile im Foyer und versuchte sich zu orientieren, als aus dem rechten
Seitengang ein hagerer Mann mit eingefallenen Gesichtszügen auftauchte, ihn
offenbar nicht sah und leicht anrempelte.
»Wo finde ich die
Küche?«, fragte ihn Christoph, aber der Mann eilte mit großen Schritten
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