Todeshaus am Deich
schmalen Strich bildeten.
»Sie haben sicher recht. Trotzdem! Nur mit Zustimmung
des Mannes.«
Es war nichts zu machen. Sie ließ sich nicht
überzeugen.
»Und was unternehmen Sie jetzt?«, fragte der
Heimleiter.
»Im Augenblick sind uns die Hände gebunden. Ohne das
Ergebnis der Kriminaltechnik wissen wir nicht, wonach wir suchen sollen. Wir
müssen warten, bis Herr Seelig wieder wach ist. Wie lange wird das noch
dauern?« Christoph sah Dr. Michalke an.
»Schwer zu sagen. Aus medizinischer Sicht sollte der
Mann ausschlafen. Ich schätze, er wird am frühen Abend wieder unter uns sein.
Viel Gescheites werden Sie dann aber nicht aus ihm herausbringen, da er dann
wie gerädert sein wird.«
»Toll«, sagte Brodersen. »Da werden unsere Bewohner
vergiftet, und die Polizei sieht zu.«
»Wissen Sie Näheres?«, wandte sich Christoph an den
Heimleiter.
»Ich? Nee. Wieso?«
»Weil Sie gezielt von Vergiftung sprechen.«
»Sie haben es doch selbst gehört, was die da«, dabei
zeigte Brodersen auf die Ärztin, »eben gesagt hat. Seelig hat eine falsche
Dosis Schlafmittel verabreicht bekommen. Ist das keine Vergiftung? Es wird langsam Zeit, dass Sie den Mann finden, der diese Unruhe in unser Haus
schleppt.«
»Wer spricht denn von einem Mann? Es könnte doch auch
eine Frau dahinterstecken?«
Brodersen blieb die Antwort schuldig.
Danach verließen alle bis auf Schwester Anke Seeligs
Apartment.
Als sie wieder bei Mommsen im Auto saßen, fragte der
junge Kommissar: »Wo soll ich dich absetzen?«
»Moment«, sagte Christoph und wählte die Nummer von
Annas Handy.
»Sag mal! Wo bist du abgeblieben?«, schimpfte sie.
»Mich jagst du in das Café, um bei deinen blöden Versteckspielen mitzumachen.
Und was ist, als ich wieder rauskomme? Nichts! Weit und breit kein Sherlock
Holmes zu sehen. So habe ich mir das Wochenende mit dir nicht vorgestellt.«
»Wir hatten einen dringenden Einsatz. Ich erkläre es
dir später«, versuchte er sie zu beruhigen.
Anna war richtiggehend sauer. »Dass ich nicht lache.«
»Hast du etwas in Erfahrung bringen können?«, fragte
Christoph vorsichtig.
»Wie denn?«, antwortete sie entrüstet. »Der Laden war
so voll, dass ich nur noch einen Platz hinter dem dicken Mittelpfeiler bekommen
habe. Ich habe die beiden nicht einmal gesehen, geschweige denn etwas von ihrem
Gespräch hören können.«
»Und trotzdem bleibst du so lange im Café, obgleich
das Ganze erfolglos war?«
Sie atmete hörbar aus. »Jetzt komm mir nicht so. Du hast mich doch dorthinein geschickt. Gegen meinen Willen.«
Christoph winkte ab. »Ich komme jetzt.«
»Mach dich auf etwas gefasst«, drohte sie, obwohl ihre
Stimme schon wieder eine Spur versöhnlicher klang.
»Frauen«, seufzte Christoph nur, zu Mommsen gewandt,
und kam sich dabei ein wenig dumm vor, weil diese im privaten Lebensentwurf des
jungen Kollegen nur eine periphere Rolle spielten.
*
Die Luft war zum Schneiden dick. Rauchschwaden
waberten über die Köpfe der Leute, durch rhythmisch im Takt der Musik
aufflammende Scheinwerfer in gleißendes Licht versetzt. Aus den Lautsprechern
dröhnten die Bässe, die Lautstärke der Anlage verschluckte jede Melodik.
Disco-Fever in Husum. Wie überall in der Szene begann die Party erst um
Mitternacht und erreichte in den Stunden danach den Höhepunkt.
Es dominierte eindeutig die junge Generation. Dicht
gedrängt zuckten die Leiber zu den peitschenden Rhythmen. Und selbst junge
Menschen, die im Alltag eher unsportlich schienen, zeigten hier eine
erstaunliche Wandlung und vollbrachten artistisch anmutende Verrenkungen.
Mitten auf der Tanzfläche stand ein kleiner Mann,
älter als der Durchschnitt der anderen Besucher, aufgrund seines Outfits aber
geduldet. Bunt wie ein Kakadu bekleidet, erheiterte er die jungen Leute.
Karlchen war in seinem Element. Wild ließ er die
Hüften kreisen, schlenkerte Arme und Beine, als wären sie aus Gummi, um danach
über dem Kopf in ein Klatschen zu verfallen, das jedem Schlagzeuger zur Ehre
gereicht hätte. Es gehörte nicht zu seinen allwöchentlichen Vergnügungen,
Diskotheken zu besuchen, aber Freude zu versprühen und gelegentlich am Rausch
der Nacht teilzuhaben war für ihn ein Lebenselixier, zumal sein Partner Mommsen
nicht zu den begeisterten Discobesuchern gehörte.
Niemand nahm es auf der engen Tanzfläche übel, wenn
man sich im Eifer nahe kam und aneinanderstieß. Plötzlich bekam Karlchen einen
heftigen Stoß in den Rücken, stolperte vorwärts und riss dabei mehrere
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