Todeshaus am Deich
lächerlich«, sagte Christoph. Er war mit
Große Jäger mittlerweile ein hervorragend eingespieltes Team, das »Gut und
Böse« spielte. Es war nie eine Frage gewesen, wer dabei welchen Part übernahm.
»Sie haben sich am Sonnabend mit Herrn von
Hasenteuffel getroffen …«
»… und dabei darüber gesprochen, wie Sie
gemeinschaftlich Ihre Tante aus dem Weg räumen können«, fiel Große Jäger
Christoph ins Wort.
Saskia Willich hatte einen feuerroten Kopf bekommen.
»Lüge! Lüge!«, schrie sie aufgebracht. Dann sackte sie
in sich zusammen. Nach einer Weile holte sie tief Luft. »Fragen Sie doch Herrn
von Hasenteuffel«, sagte sie.
»Das würden wir gern«, erwiderte Christoph. »Aber von
dem bekommen wir keine gescheite Antwort.«
»Und warum soll ich mit Ihnen reden, wenn der Baron es
nicht will?«, fragte sie immer noch erregt.
»Der kann nicht mehr mit uns sprechen. Der ist tot,
Mädchen«, sagte Große Jäger. Seine Stimme klang jetzt fast sanft.
Entsetzt sah sie auf. »Das ist nicht wahr?«
Dabei sah sie Christoph an, damit er ihr bestätigte,
dass sein Kollege mit seinen Behauptungen eben zu weit gegangen war. Sie
beobachtete ihn mit bangen Augen.
Ganz langsam nickte Christoph. »Doch, Frau Willich.
Leider entspricht das den Tatsachen. Herr von Hasenteuffel wurde heute Morgen
unter noch ungeklärten Umständen tot aufgefunden.«
Aus einer Sofaecke zauberte sie ein zerknülltes
Papiertaschentuch hervor und tupfte sich vorsichtig die Augen aus.
»Wie … wie ist das geschehen?«, stammelte sie
schließlich.
»An der Beantwortung dieser Frage arbeiten wir noch«,
entgegnete Christoph ausweichend.
»Wollen Sie nicht endlich verraten, worüber Sie mit
dem Toten gesprochen haben?«, schaltete sich Große Jäger ein.
»Mit dem Toten gesprochen?« Sie musterte den
Oberkommissar mit weit aufgerissenen Augen.
»Nun ja …«, versuchte der zu erläutern, aber Christoph
unterbrach ihn.
»Mein Kollege meint: mit Herrn von Hasenteuffel.«
Sie schniefte noch einmal ins Taschentuch. Es war eher
eine Geste der Unsicherheit, um Zeit für eine Antwort zu finden.
»Er hat sich als Einziger in der Seniorenresidenz
meiner Tante angenommen. Sie war trotz ihrer Krankheiten keineswegs senil.
Tante Trude hat unter der Vereinsamung im Altersheim gelitten. Trotz der vielen
Menschen um sie herum war sie im Grunde genommen allein. Ich bin berufstätig
und konnte mich auch nur bedingt um sie kümmern. Herr von Hasenteuffel hat sie
manchmal zu einer kleinen Spazierfahrt mitgenommen. Sie rief mich hinterher
immer an. Sie ist richtig aufgeblüht. Das Bummeln am Deich entlang. Durch die
stillen Wiesen Eiderstedts. Aber auch in die Geest. Auf Seitenwegen an Eider
und Treene entlangfahren. Langsam über das Kopfsteinpflaster von Garding oder
Tönning schlendern. Das waren die Glücksmomente ihrer späten Tage.«
Versonnen blickte Saskia Willich zur Zimmerdecke,
bevor sie weitersprach.
»Ja! So habe ich Herrn von Hasenteuffel kennengelernt.
Irgendwann habe ich ihn zum Dank zu einem Kaffee eingeladen. Er war ein
charmanter Plauderer. Klug. Unterhaltsam. Der Mann hatte Stil.«
»Haben Sie ein Verhältnis mit ihm gehabt?«, fragte
Christoph, nachdem sie eine Weile still geblieben war.
Wieder sprang das zornige Funkeln in ihre Augen.
»Spinnen Sie? Der Mann war so etwas wie ein
väterlicher Freund für mich.«
»Dann haben Sie ihm auch Dinge anvertraut, über die
Sie nicht mit anderen Leuten sprechen wollten?«
»Was geht Sie das an?« Ihr Ton war merklich
aggressiver geworden. Schließlich sprach sie aber doch weiter. »Ja. Es ist
wichtig, jemanden zu kennen, der einem zuhört, ohne dass er einen mit klugen
Ratschlägen belatschert.«
»Das Treffen mit dem Baron am Sonnabend war Ihnen so
wichtig, dass Sie es wahrgenommen haben, obwohl Sie Urlaub hatten und sich auch
nicht in Ihrer Wohnung aufhielten?«
»Es war lange geplant gewesen«, antwortete sie lapidar.
»Worüber haben Sie gesprochen?«
»Über dies und das.« Sie untermalte ihre Antwort mit
ausholenden Handbewegungen.
»Wusste Herr von Hasenteuffel, dass Sie Urlaub
hatten?«
»Weiß nicht.«
»Haben Sie über Ihre Tante gesprochen?«
»Auch.«
»Darüber, dass der Baron sie in Ihre Wohnung gebracht
hat und sie damit von der dringend notwendigen ärztlichen Behandlung
fernhielt?«
»Quatsch«, schimpfte sie und warf zornig das
zerknüllte Papiertaschentuch auf den Tisch.
Trotzig verweigerte sie ab da jede Antwort.
*
Die Sonne meinte es mit
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