Todeshunger
erklimmen, wird deutlich, wie nahe am Stadtzentrum wir tatsächlich sind. Wir befinden uns plötzlich inmitten von Scharen verängstigter Unveränderter, die uns nicht einmal ansehen, als wir sie passieren. Die meisten starren einfach nur ins Leere und warten. Es fällt mir jetzt leichter, mich in ihrer Mitte aufzuhalten, da ich weiß, dass das letzte Stündlein der Stadt geschlagen hat. Wenn alles nach Plan verläuft, müsste die Stadt morgen um diese Zeit gefallen sein. Und ich ertrage
die Unveränderten noch aus einem anderen Grund, weil ihnen zum ersten Mal, seit ich mich erinnern kann, nicht mein Hauptaugenmerk gilt. Seit wir den Club verlassen haben, konnte ich nur noch daran denken, dass ich mich ins Stadtzentrum vorarbeite, Craven im Stich lasse und mich auf den Weg zum Prince Hotel mache. Ich werde nach Lizzie suchen, und wenn sie mir gesagt hat, wo sie Ellis zum letzten Mal gesehen hat, werde ich das Chaos nutzen und versuchen zu entkommen.
»Da runter«, sagt Craven, wechselt die Richtung und führt mich durch eine enge Gasse voller Menschen. Ich blicke in ihre leeren Gesichter, die nur gelegentlich vom harschen, gnadenlosen Licht des Vollmonds erhellt werden, der hinter den Wolken hervorkommt, und empfinde nichts als Verachtung für sie. Sie erinnern mich daran, was ich vor dem Hass gewesen bin: unterdrückt, erbärmlich, resigniert. Sie ducken sich in den Schatten und hoffen auf eine Erlösung, die niemals kommen wird. Sie sind leer und hohl und warten nur darauf, dass der Tod sie aus ihrem Elend befreit. Hier, mitten unter diesem erbärmlichen Abschaum, möchte ein Teil von mir bleiben und sehen, wie Sahotas Plan aufgeht. Ja, ich möchte diese Menschen brennen sehen.
Die Straße, der wir jetzt folgen, verläuft am Rand einer militärischen Zone. Heute Abend sieht alles so verändert aus, aber ich bin sicher, dass dies ein städtisches Depot gewesen ist. Hohe Gitter umgeben den gesamten Ort, an den Zugängen stehen in großer Zahl Soldaten. Die Anlage ist vergleichsweise gut beleuchtet, dröhnende Dieselgeneratoren versorgen Flutlichter mit Strom. Auch die Zahl der Flüchtlinge zu unseren Füßen ist hier größer; Lärm und Licht locken sie an wie Insekten. Craven und
ich gehen hoch erhobenen Hauptes und scheren uns einen Dreck um die anderen, aber niemand wirft uns auch nur einen zweiten Blick zu.
»Ich verstehe, warum Sahota diese Stelle ausgewählt hat«, sage ich leise, als wir uns langsam bergab der überfüllten Hauptstraße nähern, die zum Rathaus führt. Auch heute noch ist es ein imposantes Gebäude; eine riesige Halle im griechischen Stil mit verschnörkelten Steinmetzarbeiten und Reihen gewaltiger weißer Säulen. Auf dem Platz davor wimmelt es von Menschen, die überwiegend auf dem kalten, harten Boden kampieren und sich mit Mänteln und Decken wärmen. Es gibt Hinweise darauf, dass hier einmal eine Suppenküche gewesen sein muss – vergessene Tische, leere Gasflaschen und Konservendosen, Plastikteller und Besteck, die der plötzlich ungastliche Wind verweht.
»Perfekt«, stimmt Craven zu. »Es sind Tausende von denen hier, und alle Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Wahrscheinlich sind sie auf der Suche nach etwas zu essen und einer Unterkunft hergekommen, haben weder das eine noch das andere bekommen und sich dann einfach hier niedergelassen und resigniert. Wenn wir loslegen, wird es im Handumdrehen zu einer Art Aufstand kommen.«
Ich sehe mich um, während wir uns einen Weg zwischen den Massen hindurchbahnen. Er hat recht. Hier liegt eine unausgesprochene Anspannung in der Luft, sehr viel deutlicher, als ich sie vorher gespürt habe. Und zwischen Militärs und Zivilisten herrscht ein trügerischer Friede. Ich weiß nicht, welche Seite die andere misstrauischer betrachtet. Vielleicht ist das der Grund für die große Zahl der Soldaten?
Wir passieren eine große Statue aus Stein, deren Anblick
etwas in mir zum Klingen bringt. Einen Moment lang erinnere ich mich, wie dieser Platz einmal gewesen ist. In den seltenen vollständigen Mittagspausen, die ich während der Arbeit machen konnte, bin ich manchmal hierhergekommen, um dem Büro und allen Kollegen zu entfliehen. Und ein- oder zweimal habe ich mich hier mit Lizzie getroffen, bevor die Kinder zur Welt kamen.
»Da ist Sophie«, sagt Craven, stößt mir den Ellbogen in die Rippen und nickt zur anderen Seite des Platzes, wo sie steht. »Geh dir eine Stelle suchen.«
Wir gehen wie geplant getrennte Wege. Jeder mischt sich unter die
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