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Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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Medikamente, um ihn zu retten, existieren, sind jedoch unerreichbar. Julia scheint beunruhigend genau zu ahnen, was ich denke.
    »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken«, sagt sie. »Das wäre sinnlos. Fest steht, in dem Zustand ist er vollkommen nutzlos.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Kein Aber. Wir dürfen keine Zeit dafür vergeuden, Leute wie ihn zusammenzuflicken, die nie wieder kämpfen können. Seine Genesung würde Monate beanspruchen, und selbst dann wäre er kaum mehr zu etwas nütze. Und wer sollte sich um ihn kümmern? Wir können keine Leute dafür erübrigen. Momentan gibt es keine Ärzte, Krankenschwestern, Chirurgen und dergleichen. Wir sind alle Kämpfer, so einfach ist das.«
    Ich denke, ich sollte widersprechen, sollte etwas zur Verteidigung meines gefallenen Freundes sagen und ihm beistehen, weiß aber, dass es sinnlos wäre. Sie hat recht. Herrgott, erst heute Vormittag habe ich selbst daran gedacht, ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen.
    »Ein Kämpfer, der nicht kämpfen kann«, fährt sie mit ihrer Predigt fort, »ist nur ein Kadaver. Wenn Sie ihm helfen möchten, dann suchen Sie sich eine Waffe, und jagen Sie ihm eine Kugel in den Kopf.«

9
    J etzt bin ich fern von dem Schlachthaus und den Leichen und den Fliegen und dem Gestank, und das Land dehnt sich endlos vor mir aus. Das sonnengebleichte, kniehohe Gras wiegt sich im warmen Wind träge von einer Seite auf die andere wie Wellen bei leichtem Seegang. Plötzlich ist die Welt wunderschön, ruhig und fast vollkommen still. Ich fühle mich kräftig und entspannt, erfrischt und für den nächsten Kampf bereit. Bald ist es Zeit aufzubrechen.
    Ich gehe ein paar Schritte vorwärts, die sengende Sonne blendet mich und verbrennt mir die Haut; mit den Stiefeln trample ich das hohe Gras nieder und hinterlasse eine flache Spur hinter mir. Wenn man bedenkt, wie nahe beim Vernichtungslager dieser Ort liegt, macht er einen erstaunlich friedlichen und beschaulichen Eindruck. Vor mir liegt nichts, das Land erstreckt sich fast eben von hier bis zum Horizont, nur in weiter Ferne wagen es ein paar verdorrte Bäume, sich von dem gelbgrünen Boden in den klaren blauen Himmel zu strecken.
    Moment. Was war das?
    Ich höre etwas. Ein Rascheln im Gras. Schritte? Ich denke schon, dass es nur der Wind war, als wenige Meter von mir entfernt eine kindliche Gestalt aus dem hohen Gras auftaucht, wo sie sich versteckt hatte. Das Kind ist erbarmenswert abgemagert, und obwohl so gut wie nackt,
kann ich nicht einmal erkennen, welchen Geschlechts es ist. Langsam richtet es sich auf, betrachtet mich durchdringend, schwankt fast unmerklich. Mir ist gleich, wer oder was das ist. Ich weiß, ich muss es töten.
    Ich setze mich in Bewegung und denke nur noch daran, dass ich das zierliche Wesen vor mir erwischen muss. Er flieht (am Gang erkenne ich, dass es sich um einen Jungen handelt), schlägt plötzlich und unerwartet einen Haken nach links und läuft sehr viel schneller als ich. Die Entfernung zwischen uns nimmt zu, dennoch folge ich seiner Spur niedergetrampelten Grases in einem weiten Bogen, bis ich mich wieder am Ausgangspunkt befinde. Als ich den Horizont mustere, stelle ich fest, dass vor mir die Ruinen meiner Heimatstadt liegen. Ich war seit Wochen nicht mehr hier, aber alles ist so, wie ich es in Erinnerung habe, nur etwas verdreckter als früher. Die dunklen, hässlichen Gebäude bilden einen unansehnlichen Kontrast zur Schönheit ringsum. Rauch erzeugt einen konstanten Dunstschleier; weiße Säulen steigen zwischen den höchsten Häusern empor, dunkelgraue Wolken ziehen wie dichter Nebel unmittelbar über den Straßen dahin.
    Ich habe das Kind mittlerweile völlig aus den Augen verloren, doch die Spur des plattgetretenen Grases führt mich direkt zu ihm. Ich laufe wieder los. Die Jagd wird schwieriger. Die Luft ist sengend und trocken, und ich spüre die glühend heiße Sonne auf dem bloßen Rücken. Ich zwinge mich aber weiterzugehen, da der Gedanke, endlich wieder zu töten, mich anspornt. Beim Gedanken, Fleisch eines Unveränderten von den Knochen zu reißen, läuft mir das Wasser im Mund zusammen …
    Ein dünner Streifen verdorrter Hecken bildet die Grenze der Wiese. Ich breche durch, ohne auf die Zweige und
Dornen zu achten, die mir die Haut aufreißen, und laufe eine menschenleere Straße entlang, die ich nicht kenne. Jetzt ragen auf beiden Seiten Häuser empor, verfallen und Skeletten gleich, aber dennoch hoch genug, dass sie die Sonne abhalten. Durch

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