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Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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und vergessen wurden, als der Krieg angefangen hat, doch ein gründlicherer Blick auf ihre Verletzungen sagt mir, dass dem nicht so ist. Eine zum Skelett abgemagerte Frau, der die Fetzen ihres weiten Nachthemds noch um die Schultern hängen, wurde mit der Metallstange aufgespießt, an der einst ihr intravenöser Tropf hing. Links von mir sitzt die ausgemergelte Hülle eines alten Mannes mit gespreizten Beinen auf dem Boden. Eine vertikale Narbe, die dicht unterhalb der Linie seiner hängenden Brustwarzen anfängt, zieht sich mitten über die verfärbte Brust. Am Ende der Narbe, wo der Nabel sein sollte, wurde die Wunde gewaltsam aufgerissen. Jemand hat den Mann mit bloßen Händen ausgeweidet. Genialität und Brutalität des Täters sind atemberaubend. Aber diese Leichen sind alt. Warum kämpfen heute immer noch Leute hier drin?
    Ein riesiges Loch in der Decke und dessen Entsprechung im Fußboden darunter zwingen mich erneut zur Konzentration. Ich folge Paul, der vorsichtig über den schmalen Sims balanciert, der am Rand des dunklen Abgrunds verblieben ist. Ich sehe nach unten, erblicke Trümmer, Betten und Tote direkt unter mir und wende mich wieder ab. In allen Stockwerken über uns sind Löcher, bis hinauf zu den Überresten des Dachs.

    Am Ende der Station erreichen wir eine weitere Treppe. Durch ein großes Fenster mit Sicherheitsglas sehe ich draußen eine gewaltige Schlacht. Unsere Kämpfer schwärmen um eine Ansammlung von Nebengebäuden am äußersten Ende des Geländes herum. Sie liegen etwas abseits des Krankenhausbereichs und erwecken den Eindruck, als wären sie einmal Lager- oder Heizräume gewesen. An jedem sichtbaren Fenster und jeder Tür stehen feindliche Soldaten, ebenso auf dem Dach, und alle feuern wahllos in die anstürmende Menge. Auf der anderen Seite des schmiedeeisernen Zauns, der das Krankenhausareal umgibt, stehen ihre Fahrzeuge für einen hastigen Rückzug bereit, sollten wir ihnen zu dicht auf die Pelle rücken.
    Paul ist schon halb die Treppe hinunter, aber ich bleibe am Fenster stehen. Hier stimmt etwas nicht.
    »Komm!«, ruft er.
    »Warte …«
    Ich sehe, wie sich eine zweite Angriffswoge in der Schar der Kämpfer formiert. Die Leute bemühen sich um eine gute Position, versuchen, sich dem Feind zu nähern und benutzen einander dabei gegenseitig als menschliche Schutzschilde. Zwei Brutalos schaffen es fast in Reichweite, bevor sie von einem weiteren Kugelhagel zurückgedrängt und zu Fall gebracht werden. Andere Kämpfer bemühen sich augenblicklich, ihre Lücken zu füllen, und trampeln die Gestürzten nieder. Abgesehen von diesen wenigen tapferen Versuchen gelingt es dem Feind offenbar, die Masse der Meute auf Distanz zu halten.
    »Du verdammter Idiot!«, brüllt Paul mich an. »Bis du da unten bist, sind sie alle tot.«
    Er verschwindet, doch ich bewege mich nicht. Oberflächlich
sieht dieser Kampf wie Hunderte andere aus, die ich schon gesehen oder an denen ich teilgenommen habe. Aber es gibt subtile Unterschiede, die meine Alarmglocken läuten lassen. Ich laufe hinter Paul her und versuche, ihn aufzuhalten.
    »Paul«, rufe ich und sehe gerade noch seinen Hinterkopf, ehe er durch eine offene Tür verschwindet. »Warte!«
    »Wir reißen sie in Stücke«, ruft er und dreht sich zu mir um. »Sie sind wie Schlachtvieh.«
    »Das sind sie nicht.«
    »Was?«
    »Die können jederzeit hier weg. Das habe ich von oben gesehen. Die konzentrieren sich an der Grundstücksgrenze und haben Fahrzeuge dahinter, die nur darauf warten, sie wegzubringen. Die spielen mit uns.«
    »Was?«, brüllt er wieder.
    »Das ist eine verdammte Falle! Denk doch nach … Ihre sichere Zone liegt nur eine Meile von hier entfernt, die sind nicht von den anderen abgeschnitten worden, und es sieht auch nicht so aus, als wären sie wegen Nachschub hier …«
    »Mir egal«, sagt er, weil er an nichts anderes denkt als zu töten, und wie ein Drogenjunkie ist, der dringend einen Schuss braucht.
    »Die sind nicht hier und warten darauf, dass sie evakuiert werden«, versichere ich ihm. »Die sind hier, um uns ins Freie zu locken.«
    Paul schüttelt den Kopf, wirbelt herum, läuft los und stürzt sich mitten in das riesige, ständig wachsende Heer der Kämpfer, die inzwischen fast den gesamten freien Platz zwischen dem Hauptgebäude des Krankenhauses und den von den Unveränderten besetzten Gebäuden füllen.
Kugeln zerschmettern Fensterscheiben in der Wand über mir, Scherben regnen um mich herum herab. Da ich gezwungen bin

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